Kammerspiele der Josefstadt: Ionesco, Der König stirbt

König: Bernhard Schir. Lore Stefanek: 1. Gemahlin des Königs. Maria Köstlinger: 2. Gemahlin des Königs, Julchen: Johanna Mahaffy., Johannes Krisch und Marcus Bluhm in kleinen Rollen.

® Philine Hofmann

Regie: Claus Peymann.

Bühnenbild und Licht: Achim Freyer

Kostüme: Margit Koppendorfer

Er will nicht sterben, denn er ist König und denkt, er bestimmt über seinen Tod, wie und wann er will. Aber der König ist Mensch, daher sterblich., und der Tod gehorcht nicht dem Gebot des Menschen. Also sucht der König , ähnlich wie König Admet (Euripides: Alkestis) einen Stellvertreter, der für ihn stirbt. Dass sich niemand meldet, ist klar. Anders als im „Jedermann“ wollen ihn beide Gemahlinnen bis zum Tod, aber eben nur bis zur Schwelle des Todes begleiten.Eifersüchtig streiten sie um diese „Ehre“. Nach Eindreiviertelstunden stirbt er langsam und mühevoll. Da haben schon längst einige Zuseher den Raum verlassen. Denn es zieht sich, bis der König stirbt. Den Wiederholungen der Sätze und Handlungen geht der Witz ab.

Anders als in den Dramen „Die Stühle“ ( 2019 im Akademietheater von Claus Peymann und Leander Haußmann inszeniert und von Maria Happel und Michael Maertens großartig gespielt!) oder in „Die kahle Sängerin“ (beide Stücke werden seit Jahren in Paris en suite im Théâtre de la Huchette mit Erfolg gespielt), wo Ionesco mit absurden, auf die Spitze getriebenen Witz gesellschaftliche Malaisen aufs Korn nimmt, nimmt er sich in „Der König stirbt“ eines tragischen Themas an, das er nur sehr mühevoll, leider mit allzu wenig Witz aufpäppelt. Und es stellt sich die Frage, ob in Zeiten der Coronakrise, wo alle Medien das Thema „Sterben“ auswälzen, es klug ist, ein Stück wie dieses auf die Bühne zu bringen.

Die Schauspieler geben ihr Bestes. Allen voran Bernhard Schir als raunzender König, der gar nicht einsehen will, dass er sterben muss, schon gar nicht „mit Würde“, wie es seine strenge, nonnenhafte 1. Frau (Lore Stefanek) von ihm fordert. Maria Köstlinger muss als 2. Frau die noch immer Jungverliebte spielen. Johannes Krisch in diversen Rollen, vor allem als kaltblütiger Arzt, und Marcus Bluhm als treuer Wächter in Ritterrüstung haben auch nicht viel zu melden.

Freundlicher Applaus von dem Teil des Publikums, das bis zum Schluss ausharrte.

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Theater Akzent: Stefano Bernardin als Hamlet

Für Text, Dramaturgie, Bühne und Regie gemeinsam verantwortlich: Stefano Bernardin und Hubsi Kramar

Keine Angst, so düster wie Stefano auf dem Foto dreinschaut, wird der Abend nicht. „Wenn zwei so Verrückte wie wir eine Idee haben, dann wird es ziemlich schräg!“, sagt Stefano Bernardin in einem Gespräch mit der Schreiberin dieser Zeilen. Und weiter: „Seit Sommer sitze ich und lerne alle Rollen.“

Und es wurde ein ganz besonderer Abend: Bernardin schlüpfte in die Rolle des Hamlet, des fiesen Claudius, der den Bruder umbringen lässt, er ist der kriecherische Polonius – er ist einfach: alle , alle. Von einer Sekunde auf die andere wechselt er Körperhaltung, Stimme und Mimik. Es gelingt ihm von dem jungen Hamlet übergangslos in die Rolle des miesen Onkels Claudius zu schlüpfen. Dazu genügen ihm eine Papierkrone und der rote Prunksessel.

Wo bleiben die Frauen? – die werden dezent angedeutet. Mutter Gertrude wachelt nervös mit den Händen, Ophelia bleibt unsichtbar, wird nur schroff ins Kloster geschickt. Ein ganz besonderes Gustostückerl ist die Auseinandersetzung mit den fiesen Heuchlern Rosenkranz und Güldenstern: Wie Bernardin alle drei auf die Bühne bringt, das muss man gesehen haben!!! Ein Hüpfer, ein Dreher mit dem Kopf, eine neue Mundstellung – und schon wird aus Hamlet Güldenstern oder Rosenkranz. Es darf gelacht werden!!! Und es wird gelacht. Auch über eindeutig -zweideutige Hinweise auf die momentane politische Situation in unserem Land. Da spürt man deutlich die Handschrift des „alten“ Polithaudegens Hubsi Kramar!

Aber die Tragödie bleibt nicht aus: Bernardin spielt Hamlet als den Unentschlossenen, der am Ende durch sein Zögern die Rache in Schuld umwandelt, eine Schuld, die er durch Selbstmord tilgt.

Großartig sein berühmter Monolog: Schlicht, ohne Pathos.

Großartig sein Spiel am Schlagzeug, wo er seine innere Wut abragiert.

Großarig sein Gesang und Spiel auf der Gitarre, in dem er seine Sehnsucht nach Liebe ausdrückt.

Und das Publikum applaudierte mit Begeisterung. Es gab standing ovation!

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Landestheater Niederösterreich: Thomas Mann: Der Zauberberg

Inszenierung: Sara Ostertag, Bühne Nanna Neudeck, Kostüme Clio Van Aerde, Dramaturgie: Julia Engelmayer und Maria Muhar

Aus einer riesigen Röhre kriecht Hans Castorp (Tilman Rose) aus der „Unterwelt“ an die Oberwelt des Sanatoriums in Davos, hoch in den Bergen. Ein Riesending, das einer Krake oder den menschlichen Rippenbogen gleicht, füllt die Bühne. Zuallererst muss sich der Besucher mühevoll orientieren, wer wen darstellt. Denn mit Ausnahme von Hans Castorp, der eindeutig ein Mann ist, sind die anderen Personen nicht so leicht in ihrem Geschlecht identifizierbar. Also: Settembini wird von einer Frau gespielt (Bettina Karl) – übrigens ist ihre Aussprache am klarsten. (Oben auf dem Balkon konnte man viele Textstellen nur bruchstückhaft verstehen). Die schöne Clawdia Chauchat wird von Tim Breyvogel dargestellt. Eher als Frauenfigur abtörnend. Den Vetter Joachim spielt Marthe Lola Deutschmann. Dieses Vexierspiel mit der Genderproblematik darf ja in keiner Inszenierung mehr fehlen und wirkt schon ein wenig abgenützt.Alles nach dem Motto: Nichts darf so sein, wie es scheint.

Zu einer melancholischen Hintergrundmusik (Clara Luzia und Catharina Priemer-Hunpel) spielt man nun Sanatorium, besser sollte man sagen: Irrenanstalt. Denn was Sara Ostertag aus dem feinsinnigen Roman über den Untergang einer verkorksten Gesellschaft gemacht hat, schrammt gefährlich am Klamauk entlang. Da schlurft eine Art Yeti im schmutzigrauen Zottelfell über die Bühne, hüpft dem auf der Röhre Schlafenden auf die Brust, da kleckert der Arzt mit Farbe herum, spritzt die Röntgenbilder auf die Brust der Patienten, , taumeln die Figuren durch Nebelschwaden – die bis hinauf auf den Balkon trotz Maske zu riechen sind. Da wühlt ein leicht verwirrter Hans Castorp am Schluss in einem Plastikherz, später im Schnee. Was fehlt noch aus dem gängigen Repertoire des Regietheaters – ja, richtig, eine Anspielung auf die Homosexualität des Autors. Als Zuschauer ist man nur damit beschäftigt, all diese Pseudosymbolik zu hinterfragen. Der eigentliche Sinn des Romans wird durch krampfige Regieeinfälle vernebelt – im wahrsten Sinn.

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Kammerspiele der Josefstadt: Brecht/Weill: Die Dreigroschenoper

Im Programm ist zu lesen: Unter Mitarbeit von Elisabeth Hauptmann – ein Hinweis, dass der Großteil der Arbeit für dieses Werk von Elisabeth Hauptmann geleistet wurde. Was Bert Brecht nicht so gerne zugab. Danke für diesen HInweis!

Die Bettler und Gauner sind in Frack und Zylinder gekleidet, nur manchmal blitzt ein Tatoo auf, so man es auf der dunklen Bühne überhaupt wahrnimmt. (Bühnenbild und Kostüme: Herbert Schäfer) Es herrschen Dauerdunkelheit und Nebel (London!), ein Nebel, der ziemlich unangenehm riecht, auch durch die Masken (leider) des Publikums dringt.

Die Aufführung (1. November 2022) war von keinem guten Stern begleitet: Herbert Föttinger( Peachum) und Marcello de Nardo (Kimball) konnten krankheitshalber nicht auftreten. Oliver Huether übernahm mit Buch in der Hand die Rolle des Peachum und machte seine Sache recht gut. Wer die Rolle des Hochwürden übernahm, war (mir) nicht klar.

Das Geschehen spielte sich auf zwei schrägen Stegen ab, zwischen denen die Figuren nicht immer ganz sprungsicher hin und hertanzen mussten. Die Musiker waren im Hintergrund platziert, dirigiert von Christian Frank, der vorne am Klavier saß. In dem verbleibenden Raum tanzten, wälzten und drehten sich Figuren in lasziv-erotischer Haltung – man sah viel gespreizte Damenbeine in die Luft ragen. Überhaupt setzte der Regisseur Torsten Fischer stark auf choreographische Effekte – die Figuren bewegten sich wie unter Wasser. Was in dem dichten Nebel recht beeindrucken konnte und über die langen Leerstellen zwischen den Gesangsnummern hinweghalf.

Gesanglich und schauspielerisch überragte Maria Bill als Celia Peachum alle. Sie traf den Weillschen Sound hundertprozentig und schuf ganz ohne Mühe eine Lotte-Lenya-Aura. Swintha Gersthofer war gesanglich eine überzeugende Polly, Susa Meyer eine lässige Spelunken-Jenny. Claudius von Stolzmann gab einen bürgerlichen Macky Messer, dessen Hinterhältigkeit und Gefährlichkeit zu wenig herauskamen. Dass er am Ende mit dem Kopf nach unten „gehängt“ werden sollte, erregte wohl bei den meisten Zusehern eher Mitleid mit dem armen Schauspieler als Bewunderung.

Dem Publikum gefiel es und sie honorierten besonders die Leistung der Einspringer.

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Theater in der Josefstadt: A. Schnitzler, Der Weg ins Freie

Nach dem gleichnamigen Roman von Arthur Schnitzler, dramatisiert von Susanne Wolf.

Warum meinte man, diesen langatmigen Roman Schnitzlers dramatisieren zu müssen? Hat Schnitzler nicht genug Dramen geschrieben? Wenn schon eine Dramatisierung, dann bitte so gut und griffig, wie Christopher Hampton und Daniel Kehlmann die Novelle von Stefan Zweig: „Geheimnis einer Unbekannten“ für die Bühne bearbeiteten.

„Der Weg ins Freie“ zieht sich über fast drei Stunden, eine Pause inclusiv. Im ersten Bühnenbild (Karin Fritz) befinden wir uns in einem Wiener Salon der Jahrhundertwende. Zwischen zur Zeit passenden Sofas und Sesseln sitzen und stehen Figuren, die über die politische Lage gesittet parlieren, sich manchmal echauffieren. Aber nicht zu viel, denn Aufregung ist in einem Salon nicht gewünscht. Es geht um Themen wie Antisemitismus, Zionismus, Kommunismus, Sozialismus und Fragen nach zwiwchenmenschlichen Beziehungen. Aber alles bleibt doch fein oberflächlich. Das Ensemble bemüht sich, den spröden Text in leichte Konversation umzuwandeln. In den folgenden Szenen verschwinden die Salonattribute, und es wird einmal in einer grauen Unterbühne, dann wieder in einer grauen Oberbühne agiert – finster ist die Zeit, in der der Bürgermeister Lueger die Meinungsmache gegen Juden vorantreibt. Hass und Denunziantentum, Opportunismus blühen. Im Mittelpunkt des Stückes steht die Frage, welcher Jude bin ich? Jede Figur verdeutlicht eine der vielen möglichen Facetten und ebenso vielfältig sind die Themen, die angeschnitten werden: Der Jude, der von Palästina und dem Zionismus träumt. Der Schriftsteller, der nicht jüdisch sein will, der Komponist, den sein Judentum egal ist. Mitten drin die Frauen, die eine schöne Staffage abgeben und bei NIchtbedarf sitzen gelassen werden. Meist monologisieren die Personen und schleudern ihre Meinungen ins Publikum. Der Regisseur Janus Kiza überlässt die Schauspieler ihrem Schicksal.

Berührend ist die Liebesgeschichte zwischen dem adeligen Möchtegernkomponisten Georg von Wergenthin (Alexander Absenger) und der bürgerlichen Anna Rosner – überzeugend schlicht von Alma Hasun gespielt. Ebenso echt die Rolle des jüdischen Arztes. Joseph Lorenz gibt dieser Figur Tiefe. Nervig wie immer Katharina Klar als kämpferische Sozialistin. Dank dieser einzelnen Spannungsmomente haben die meisten Besucher bis zum Schluss durchgehalten.

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„wortwiege“ in den Kasematten: Büchner: „Dantons Tod“

Inszenierung: Jerôme Junod, Anna Maria Krassnigg

Foto: Isabella Wolf / Robespierre. Judith Richter/Saint-Just

Vor einem nachtblauen Hintergrund ist ein Gerüst, eher eine Plattform aufgestellt. Sie soll an die Guillotine erinnern. Wir sind mitten in der Französichen Revolution. So weit so verständlich und plausibel. Die revolutionären Kräfte haben sich zerstritten. Robespierre ist radikal, Köpfe sollen rollen. Danton ist der Revolution überdrüssig geworden, zu viel Blut haben er und alle anderen schon vergossen. Er zieht sich ins Privatleben zurück, will Genuss und Lust statt Frust. So weit auch plausibel, das weiß man noch aus dem Geschichtsunterricht.

Verwirrend wird es, sobald die Frauen auf der Bühne zu agieren und zu sprechen beginnen. Wer ist wer? Vier Frauen spielen Männer, aber auch Frauen. Das Konzept ist radikal, man ist mehr damit beschäftigt herauszubekommen, wann die Figur gerade eine Frau, wann ein Mann ist. Radikalität gut und schön, aber nicht zu Lasten der Verstehbarkeit.

Bis zur Pause großes Rätselraten, dann Beratung. Aha, wenn Danton (Nina Gabriel) eine Schulter entblößt und die Haare nach vorne streicht, dann wird sie Julie, Dantons Gefährtin. Camille Desmoulins (Petra Staduan) ist sowohl Gefährte Dantons als auch Lucile, was nicht immer leicht zu unterscheiden war. Einige Zeit und Überlegungen dauerte es, bis man das Doppelspiel von Judith Richter als Marion und zugleich als den Scharfmacher Saint-Just unterscheiden konnte. Eindeutig in ihrer Rollenzuteilung war Isabella Wolf als Robespierre. Dass Frauen Männerrollen spielen, ist nicht neu. Dass Schauspieler auf der Bühne ihre Rolle tauschen auch nicht. Aber hier wird mit dem Wechsel zu oft jongliert. Bis man kapierte, wer jetzt gerade agiert, war die Szene schon vorbei.

Nach der Pause hatte man das Verwandlungsschema durchschaut und konnte sich mehr mit dem Text beschäftigen. Büchners „Antirevolutionsdrama“ ist brandmodern. Aus Mördern können keine Demokraten werden. Die Guillotine als „Reinigung“ der alten Denk- und Staatsform funktioniert nicht. Danton hat das bald erkannt, während Robespierre als verbissener Moralist weiter köpfen lässt.

Die vier Frauen machten ihre Sache gut, besonders Isabella Wolf als Robespierre überzeuget. Er/sie hatte ja keine Doppelrolle. Auch Nina Gabriel spielte den des Mordens überdrüssigen Danton gut. Dass sich Danton in die Lust und den Genuss flüchtet, ging im Spiel ein wenig verloren. Judith Richters Wechselspiel von der einfühlenden Marion zum blutgierigen Saint-Just war wohl am schwierigsten darzustellen. Aber sie machte ihre Sache recht gut. Etwas blass wirkte Petra Staduan als Camille/Lucile.

Eine interessante Inszenierung, in der die Grenzen des Regietheaters deutlich werden.

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Theater Scala: Nestroy: Umsonst

Fassung und Inszenierung: Bruno Max

Titelfoto v. li nach re: Leonhard Srajer als Pitzl, Simon Brader als Arthur, Jörg Stelling als Fabrikant Finster, Randolf Destaller als Inspizient, Teresa Renner als Schauspielerin, Bernadette Mold als Frau Gschlader.

Wo Bruno Max auf der Inszenierung draufsteht, da ist intelligenter Witz, schräger Humor und kontramodische Inszenierung garantiert.

Bruno Max siedelt das Stück in Steyr und in Braunau an, auf die Anmerkung Nestroys anspielend: Provinz ist überall. Mit voller Absicht gegen das Regietheater , das mit obskuren Bühnenbildern und/oder nackter Bühne das Publikum schon viel zu lange langweilt, lässt er Marcus Ganser ein herrrlich altmodische Bühne hinstellen: Ein kleines Theater in Steyr mit dazu passender Kantine, wo die Schauspieler dünnen Kaffee/ Gschlader auf Pump bekomen. Nicht nur die Bühne wirkt bewusst kontramodern, auch die Schauspieler. Die ganze Crew darf sich im Outieren austoben und sie machen das so intensiv gut, dass das Publikum vor Vergnügen johlt. Weil es endlich wieder einmal nicht mit dem Polit- und Moralhammer , der zur Zeit in fast allen Theatern auf uns hinuntersaust, erzogen wird. Man darf einfach lachen, sich vergnügen und die deutlichen Hinweise auf Gegenwartsprobleme registrieren, aber man muss sich nicht nachher schuldbewußt an die Brust klopfen. Zu diesem bewusst altmodischen Konzept passen auch die Kostüme von Anna Pollak, die direkt aus der Zeit Nestroys stammen könnten.

Mit Bedacht und sehr gewollt hat Bruno Max dieses Stück von Nestroy gewählt, geht es doch im ersten Teil darum, auf die ärmliche und prekäre Existenz der Schauspieler und der heutigen Kulturszene anzuspielen. Fixes Engagement – gibts nicht, das Theater ist vom Zusperren bedroht. Pitzl, der Schauspieler für die pathetischen Rollen., zitiert zum Leidwesen aller andauernd Schiller, kommt damit aber gar nicht gut an. Leonhard Srajer spielt diese Rolle herrlich übertrieben. Sein Freund und Schausspielerkollege Arthur (toll und übermütig :Simon Brader)ist über beide Ohren in Emma Busch – mit Selbstverleugnung komisch von Magdalena Hammer gespielt- verliebt. Aber natürlich stellt sich alles gegen diese Verbindung. Mit Bravour wird die Verwirrung auf die Spitze getrieben, durch Fenster gesprungen, hinter Türen versteckt etc. Das alles hat man schon oft in Komödien gesehen, aber selten noch mit so viel Übermut und Verve.

Der zweite Teil spielt in einer Gaststube in Braunau. In einer Ecke hockt ein Hitlerverschnitt. Das Peronal wird von dem Wirten Sauerfaß geschunden und schlecht bezahlt. Hermann Kogler gibt dieser Figur die bieder -berechnende Maske. Eine Sonderattacke auf die Lachmuskeln liefern Vater und Sohn Maushuber (Christoph Brückner und Rudolf Destaller). Sie sind das personifizierte Kapital, das von dem Lebenskünstler Arthur zur unnötigen Staffage degradiert wird. Un natürlich geht alles gut aus: Jeder und jede bekommt den Partner der Wahl, nachdem einige Verwirrungen geklärt sind.

Eigentlich müsste man jede kleinste Rolle vor den Vorhang rufen, denn das ganze Ensemble spielt so richtig gut und auf „Teufel komm raus“!

Wer also vom Regietheater, nackten Männerhinterteilen und brüllenden Horden genug hat, dem sei dieser Abend zur Erholung wärmstens empfohlen!!! Alle Infos unter:

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„wortwiege“ in den Kasematten zeigt: „Nussschale“

Nach dem gleichnamigen Roman von Ian McEwan

Ein noch nicht geborenes Kind bekommt im Bauch seiner Mutter alle Intrigen, Liebesschwüre, Mordkomplotte und Orgasmen mit. Dieses Kind hat noch keinen Namen. So die Ausgangslage im Roman und in der theatralischen Umsetzung. Gleich vorweg: Roman gelesen, Theater gesehen – Fazit: Das Theaterstück ist weit interessanter, amüsanter, verblüffender als der Roman, der sich in die Länge zieht.

Schon das Bühnentableau verblüfft: Im Arkadenbogen des Bühenhintergrundes ist im Video die Gestalt eines jungen Mannes zu sehen, der sich im schicken Sport- oder Mondraumfahreranzug in Maschinenräumen oder einer Mondraumkapsel bewegt. Er schaut auf eine schlafende schwangere Frau. Das ist Trudy, seine Mutter. Und er wird einmal Hamlet sein. An diesem wunderbar exzentrischen Bühentableau haben Jérôme Junod, Anna Maria Krassnigg und Christian Mair gearbeitet. Und die verschmitzt-hinterlistige Bühnenfassung des Romans haben Karl Baratta und Anna Maria Krassnigg erstellt.

Direkt vor den Augen und der Nase des ungeborenen Hamlet schmust und kopuliert seine Mutter Trudy mit Claude, der eigentlich ihr Schwager ist. Judy ist noch mit John verheiratet und ist von ihm schwanger. Aber sie hat genug von ihrem dichtenden Ehemann, hat ihn aus seinem eigenen Haus geworfen. Der arme Tropf liebt sie dennoch. Versucht sie mit einer vorgegaukelten Geliebten eifersüchtig zu machen. Doch Judy will ihn nicht wiederhaben, sondern ein für alle Mal loswerden. Mit ihrem Liebhaber Claude schmiedet sie das Mordkomplott, das auch gelingt. Doch die Polizistin ist ihnen auf der Spur. …

Der noch ungeborene, namenlose Hamlet (Flavio Schily) sieht diesem Treiben ziemlich objektiv zu, er kann ja nicht eingreifen. Seine Kommentare sind ohne moralisches Urteil, meist ironisch witzig. Claude (Jens Ole Schmieder) spielt den berechnenden Liebhaber Trudys ausgezeichnet. Er entwickelt die Idee des fingierten Selbstmordes. lenkt Judy durch Liebesspiele ab, wenn sie allzu selbständig zu denken beginnt. Martin Schwanda ist ein herrlich gutmütiger Dichtertölpel. Man versteht, warum seine Frau ihn loswerden will. Witzig ist auch die schlangenschlaue Polizistin (Isabella Wolf), die die beiden Mörder ganz langsam und genüsslich in ihren Ängsten schmoren lässt. Sie übernimmt gleichsam die Rächerrolle Hamlets, der ja noch nicht handlungsfähig ist. Petra Staduan gibt die begeisterungsfähige Dichterin mit jugendlicher Naivität und Überzeugungskraft.

Nina C. Gabriel als Judy (© Adnrea Klem)

Die Person, um die sich alles dreht, ist Judy – ganz hervorragend gespielt von Nina C. Gabriel. Wie sie aus einer nicht endenwollenden Trägheit heraus agiert, langsam und bedächtig den Mord plant, ihren Liebhaber Claude in die Schranken weist, den Ehemann von sich fern hält, dabei Pommes Frittes mampft und Wein schlürft, ist beste Schau-Spielkunst. Beinahe gleichgültig dem Geschehen rings um sie, verliert sie auch nicht ihre Ruhe, als die Polizistin an der Wahrheit schon ganz nah dran ist. Da hilft nur ein Ablenkungsmanöver: Das Kind schnell zur Welt bringen. Was sie auch prompt tut. Leider verhindert das zu früh auf die Welt gekommene Kind die Flucht der beiden. So gesehen kommt Hamlet doch noch zu seiner Rächerrolle.

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Theater in der Josefstadt: Grillparzer: Medea

Von Medea hat wohl schon jeder passionierte Theatergänger ein Bild. Bei Euripides ist sie eine starke Frau, noch immer schön, in ihrer Raserei überwältigend. Bei Simon Stone eine intelligente Frau, die ihre eigene Karriere für Jason opfert. Bei Grillparzer die wilde Zauberin aus Kolchis, eine schöne Barbarin, die ihren Götterglauben aus Liebe zu Jason aufgegeben hat und am Schluss als Büßerin das Goldene Vliess an seinen Ursprungsort nach Delphi bringen wird.

Und nun die „Medea“ nach Grillparzer, bearbeitet vom Regisseur Elmar Goerden. In dieser Inszenierung ist Medea (Sandra Cervik) eine geknickte, alte Frau. In ihrem schwarzen, bodenlangen Kittel und Kopftuch könnte sie eine Bäurin aus Westanatolien sein, die sich in der modernen Welt zurechtfinden muss, aber nicht will und kann. Die Kostüme von Lydia Kirchleitner sind genau an den von Goerden angedachten Charakter angepasst: So ist Jason (Joseph Lorenz) im schwarzen, modischen Anzug und weißen Hemd im Heute angekommen. Dem Fiesling Kreon (Wolfgang Hübsch) verpasst Lydia Kirchleitner wechselweise ein Hawaihemd oder einen lächerlichen, schäbigen Königsmantel. Dass er – und andere auch – immer wieder eisschleckend auftreten, ist zwar im Moment ein Gag und sollte wohl die Tragödie zu einer verzweifelten Komödie herunterbrechen, entpuppt sich aber letztendlich als irritierend-störend. Oder als überdeutlich-peinliches Detail. Katharina Klar als Kreusa tritt in einem blümchenblauen Debütantinnenkleid auf, ganz auf Schüchterchen und lieb spielend. Dann im Raubtierfell eines Bären (!!?) zeigt sie ihr wahres Gesicht und schmeichelt sich bei Jason und Medea als Vermittlerin ein. Über das Bärenkostüm grübelt man eine Weile nach, um es dann als gegeben hinzunehmen. Ziemlich plump ist die Rolle der Magd Gora ausgefallen. Dass Michael König in diese Rolle schlüpfen muss, ist dem modischen Wink auf die Gender-Idenditätsfrage, die momentan in keinem Stück fehlen darf, zu verdanken. Mit blonden Zöpfen und einem Bauernfrau-Outfit soll sie wohl die intime Nähe zu Medea symbolisieren.

Mythos und Gegenwart

In einem schwarzen Bühnengrund, auf dem im Laufe des Stückes eine Regendusche und eine Art Teich mit Schilfgräsern die Gegenwart andeuten, spielt sich die antike Tragödie ab.Das Bühnenbild von Silvia Merlo und Ulf Stengl vereint so die Grundlinien, die der Regisseur herausgearbeitet hat: Die Oszillierung zwischen zwei Welten, der Gegenwart und der Vergangenheit, dem antiken Mythos und dem Heute. Goerden skelettiert gekonnt den Grillparzertext auf diese beiden Themen hin: Medea ist Vergangenheit, Fremdheit, Bedrohung der scheingesicherten Bürgerwelt eines Kreon. Ihr schrieb Goerden noch Text hinzu. Sie darf sich fragen, welche Rolle sie in diesem männerbestimmten Weltbild spielt.. Dabei wendet sie sich direkt ans Publikum, auf ihre stolze Seele weisend. Dass sie sich bei diesem kurzen Monolog das Hemd aufreißen muss und die bloße Brust de Publikum entgegenreckt, ist unnötig bis peinlich. Die Krusejfavoritin Bibiana Beglau machts vor und andere folgen ihr.

Geschickt verknüpfte schon Grillparzer – er kannte Euripides sehr gut – das Ehedrama mit der Flüchtlingssituation. Und Goerden folgt hier Grillparzer getreu. Die Hauptlast des Dramas legt er auf das Paar Jason-Medea. Dass sich die beiden einst bis zum Wahnsinn liebten, sexuell begehrten, davon ist kaum mehr was zu merken. Die Küsse und Umarmungen sind eher Ausdruck der Verzweiflung. Beide wissen, dass sie einander verloren haben. Jason will es nicht wahrhaben, betont seine Liebe zu Medea so lange sie nicht für ihn gefährlich wird. Als es heißt, Medea muss gehen, er darf bleiben, da wendet er sich voll Hass von ihr ab. Joseph Lorenz ist kein verglühender Held, er ist ein gebrochener Mann, der den Boden unter seinen Füßen verloren hat. Er spielt einen nervösen, ängstlichen Antihelden. Eigentlich versteht man nicht, was Kreusa noch an ihm findet, warum sie ihn Medea abspenstig macht. Sprachlich ist die Rolle Jasons die schwierigste von allen. Denn er muss zwischen Grillparzersprache und heutigem Ton hin- und herpendeln. Die Kluft, die sich dabei auftut, ist gewollt. Denn es ist auch die Kluft, die Jason innewohnt. Ein sensibles Spiel, das Joseph Lorenz mit müder Eleganz erfüllt.

Sandra Cervik hat viele Hürden zu nehmen. Da sie in ihrer Ausstrahlung keine Medea ist, muss sie dieses Manko durch überstarkes Spiel ausgleichen. Was ihr an vielen Stellen gelingt. Aber die Mördermutter nimmt man ihr nicht ab. Da fehlt die Erschütterung. Es ist ein kalkulierter Mord, der so nebenbei im Hintergrund der Bühne abläuft. Was darauf folgt, ist Schhock: Goerden endet die Tragödie in einer Spaßszene: Alle Toten stehen auf und vereinen sich in einer lustigen Party. Wie das zu verstehen ist? Vielleicht wollte er auf die Hollywood-Blockbusterfilme anspielen, in denen es kaum ein böses Ende nimmt oder nehmen darf. Auf jeden Fall zerstört er damit die Dramatik, die Medea vorher intellektuell leidend versucht hat aufzubauen. Und er bringt sich und seine beiden Hauptdarsteller um die tief berührende Schlussszene, wie sie Grillparzer schrieb: Während Jason in Selbstmitleid zerfließt, herrscht ihn Medea mit starker Stimme an: Trage, dulde, büße! Sie geht nach Delphi und wird dem dunklen Gott das Unglücksvliess zurückgeben. An Selbstmord denkt sie nicht, das erscheint ihr eine zu leichte Lösung.

Ein starkes Stück mit beeindruckenden schausspielerischen Leistungen. Durch Überinszenierung, unnötige Gags und den komischen Schluss nimmt der Regisseur viel von der Wirkung weg.

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Foto: Silvia Matras

Inszenierung: Bruno Max

Das muss man Bruno Max lassen: Er hat ein Gespür für richtige Location! Die impsosante Fassade des ehemaligen Waisenhauses, gestiftet von dem Anatomen Josef Hyrtl, erbaut im spätgotischen Mischmaschstil des ausgehenden 19. Jahrhunderts, unter der Leitung des damaligen Bürgermeisters Josef Schöffel, stellt die ideale Kulisse für dieses Degenstück dar. Alles da, was man braucht: Schloss, Schlossgraben, Garten – schnell imaginiert mit drei Plastikkugelbäumen – ja selbst für den Buckinhampalast ist diese schöne Fassade eine ideale Kulissse. „Wir schlagen damit (-mit der Wahl dieses Platzes) mehrere Fliegen mit einer Klappe“, schreibt Bruno Max im Programmheft. „Wir bringen Theater in die Schöffelstadt, die im Gegensatz zur Altstadt theatermäßog unterversorgte Zone Mödlings, und zeigen das schlafende Potential dieses schönen Platzes auf.“

Die Fassade des Waisenhauses im Abendlicht (© Silvia Matras)

Der Roman von Alexandre Dumas schildert die Lebensgeschichte der drei Musketiere, die als Leibgarde dem König Ludwig XIII und Königin Anna dienen. Im steten Kampf mit den Gardisten des hinterlistigen Kardinals Richelieu bleiben sie meist siegreich. Im Mittelpunkt steht der junge d´Artagnan, der von seinem Vater zu einem mutigen Kämpfer mit offenem Herzen und mutigem Sinn erzogen wird.

Das Stück beginnt mit dem Begräbnis des Helden. Vor der von der letzten Abendsonne beleuchteten Fassade tragen die Kameraden Athos, Porthos und Aramis den Sarg mit dem Leichnam d´Artagnans zu Grabe. Eine Reporterin mit Mikrofon versucht vergeblich, ein Interview zu bekommen. Dann folgt Schlag auf Schlag eine Szene nach der anderen, jede einzelne ein Bravourstück der Choregrafie und der Komik!!! Noch im milden Abendlicht sehen wir den Knaben d`Artagnan, den sein Vater unermüdlich im Fechten trainiert, die Mutter ihn liebevoll füttert. Aus dem Knaben wird ein junger Mann, der sich von seinen Eltern verabschiedet. Der Vater schenkt ihm den Familiendegen und das letzte Pferd aus dem Stall – eine Szene, so rührend wie komisch zugleich. Das ist überhaupt die Stärke der Inszenierung: Es darf romantisch, heldisch werden, aber immer endet jede Szene mit einem Augenzwinkern oder einer ironisch-witzigen Verdrehung der Situation. Das Publikum applaudierte oft nach einzelnen Szenen, was die Stimmung des Abends enorm hob. (Sie war immer gut, aber so eben noch mehr als gut – super!) Marcus Ganser, verantwortlich für die Details auf der Bühne, belebte die Szenerie mit komischen Details, etwa den Topfpflanzenträgern, den Schafhütern oder den Wäsche aufhängenden Nonnen.

Wie immer, wenn Bruno Max eine Komödie inszeniert, holt er sich exzellente Schauspieler. Die Musketiere und die Gardisten des Kardinals fechten auf Teufel komm raus. Selbst die kleinsten Szenen sind mit Erzkömödianten besetzt -So etwa gibt Bernie Feit einen an das Darmolmandl erinnernden kläglichen Ehemann der schönen Constance ab. Derselbe spielt auch den alten, leicht verkalkten Chef der Musketiere. Alle, wirklich alle spielen ihre Rollen, als wären sie mit ihren Kostümen in diese Zeit hineingeboren. Apropos Kostüme: Sigrid Deger leistet sich den Luxus, die Schauspieler in historische Gewänder zu stecken! Was für eine Wohltat, einmal keine Modeflicken der Gegenwart deuten zu müssen!

Aber ein Schauspieler sei aus dem glanzvollen Ensemble doch noch deutlich hervorgehoben: Der junge Angelo Konzett spielt den d´Artagnan, als wäre er mit dem Degen geboren. Er fegt über die Bühne, springt über Gräben, als hätte er Hermesschuhe an. Das mutige, offene Herz eines Musketieres glaubt man ihm sofort. Ein Name, den man sich merken sollte!

Das Publikum dankte dem ganzen Ensemble mit langem Applaus und viel Bravorufen.

Es wird noch bis zum 4. September gespielt. Also unbedingt anschauen!!

Alle Informationen unter: http://www.theaterzumfuerchten.at

Volksoper im Kasino Schwarzenberg: Leyla und Medjnum

Musik: Detlev Glanert

Märchen für Musik, Libretto von Aras Ören und Peter Schneider, Textfassung für die Volksoper: Ruth Brauer-Kvam und Nicolaus Hagg, Dirigent: Gerrit Prießnitz, Regie und Choreographie: Ruth Brauer-Kvam

Der Bühnenraum des Kasinos bildet mit den klassizistischen, goldvergilbten Einfassungen in der Hinterwand, gehalten in müd-grauen Farben, die ideale Projektionsfläche für die Videos mit alten persischen Schriftzeichen. Der Boden ist mit Teppichen ausgelegt, die im Laufe des Spieles mit Schriftfahnen bedeckt werden. (Bühnenbild und Kostüme: Monika Rovan)

Der Dichter Rumi (1207-1273) war einer der bekanntesten persischen Dichter des Mittelalters. Seine Erzählung „Leyla und Medjnum“ gehört zum Kodex der persischen Literatur und ist bis heute im persischen Sprachraum und darüber hinaus bekannt. Leyla und Medjnum sind in tiefer Liebe zueinander entbrannt. Die Eltern akzeptieren diese Liebe nicht. Medjnum geht in die Wüste und schreibt Gedicht um Gedicht über seine Liebe zu Leyla. Vergisst darüber die Realität. Er verliebt sich in jedem seiner WErke neu in die Liebe als absolute Kraft, die den Menschen die Angst vor der Macht nimmt und gegen Kriege wirkt. Leyla hingegen bleibt in der Realität, sehnt sich nach ihrem Geliebten – vergeblich. Sie wird mit einem reichen Mann verheiratet. Das traurige Ende ist erahnbar: Leyla und Medjnum werden sich vielleicht nach dem Tod im Paradies wieder begegnen. Medjnum letzte Worte: Ich schreibe diese Gedichte, damit niemand mehr aus Angst das Paradies anbetet. Als Rumi dieses Ende schrieb, war die Sufireligion, der er angehörte, anerkannt als eine Religion, die frei von Angst macht.

Neben der Liebe ist die persische Schrift ein weiteres zentrales Thema. Denn ohne Wort und Schrift gibt es keine Ideen, keine Entwicklung. Um dies zu verdeutlichen, setzt Ruth Brauer-Kvam als choreographische Geste und Versinnbildlichung die Gebärdenspräche ein. Sie passt sich ausgezeichnet dem Rhythmus der Musik an und erinnert im Gestus an die Bewegungen des orientalischen Tanzes. Ruth Brauer-Kvam macht sie zum Element des Lebens, lässt sie auf den Körpern, den Schirmen, den Fahnen erscheinen. Mit dieser Hommage an die persische Schrift, die in ihrer Eleganz unübertroffen ist, setzt die Regisseurin auch einen Kontrapunkt gegen unsere schnelle, schludrige Welt, die sich mit Mails und mit gedankenlosen Verkürzungen begnügt.

Die Musik von Detlev Glanert unterstreicht die Tendenz, in der sich das Schauspiel über die Liebe darbietet: Leicht könnte die Legende über die Liebe in schwülstigen Kitsch abgleiten. Dieser Gefahr entgeht die Produktion durch die Musik, die nur selten Romantik aufkommen lässt. Was ein wenig fehlt, ist die Sinnlichkeit, die jede orientalische Erzählung ausstrahlt. Musik und Regie haben sich für die Abstraktion entschieden und entgehen dabei nicht immer der Gefahr des Manierismus. Mit dieser Produktion setzt die Volksoper die Programmschiene fort, die moderne Musik dem Publikum nahe bringen will.

Zu bewundern ist die Leistung des gesamten Ensembles, das sich trotz 32° im Raum ganz dem Geschehen hingab. Allen voran sind Mara Mastalir als Leyla, Nicolaus Hagg als ERzähler und Alexander Pinderak als Medjnum zu loben. Das Publikum dankte mit freundlichem Applaus.

www.volksoper.at

Theater in der Josefstadt: Geheimnis einer Unbekannten (Stefan Zweig)

Christopher Hampton nach Stefan Zweigs Novelle „Brief einer Unbekannten“. Deutsche Übersetzung von Daniel Kehlmann

Fotocredit: Moritz Schell

Wenn Christopher Hampton ein Werk dramatisiert, dazu die Regie führt und Daniel Kehlmann für die deutsche Übersetzung zeichnet, dann ist ein Abend von hoher Qualität sicher. Genau abgestimmt zu der subtilen Regie passt das Bühnenbild von Anna Fleischle: Ein nobler Raum und ein schlichter Stiegenaufgang werden durch geschickte Lichtführung (Emmerich Steigberger) je nach Szene verändert. In den Kostümen von Birgit Hutter sind Anlehnungen an die Zeit der 1930er Jahre zu erkennen.

Über allem liegt ein Schleier der Erinnerung. Im Rückblick wird die Geschichte Mariannes, ihre tiefe, unveränderte und starke Liebe zu dem bekannte Schriftsteller Stefan, den man unschwer als Stefan Zweig erkennt, aufgerollt. Geschickt hat Christopher Hampton in das Geschehen Details aus dem Leben des Schriftstellers eingeflochten. Verbittert über das Aufführungsverbot seiner Stücke und seine Verfemung als jüdischer Schriftsteller betont er: „Ich bin kein jüdischer Schriftsteller, ich gehöre zur deutschen Nation.“ Vielen jüdischen Künstlern sollte diese falsche Einschätzung der Lage das Leben kosten. Stefan (Zweig) denkt am Ende ans Weggehen, an Flucht. Der Tod Mariannes hat ihn schwer erschüttert.

Die Liebe ist das Hauptthema. Mariannes Liebe ist unbedingt und für Stefan, den eitlen und erfolgsverwöhnten Fraueneroberer zunächst nur ein angenehmes Erlebnis. Ihm bedeutet die Liebe zu dieser Unbekannten nicht mehr als die Garantie für eine erotische Nacht. Diskret geleitet er seine Eroberung ins Schlafzimmer und schließt leise die Tür. Am Morgen erwartet er ungeduldig ihren Abgang, steckt ihr zu seiner eigenen Gewissensberuhigung heimlich Geld in die Handtasche. Erst viele Jahre später wird er die Wahrheit erfahren: Marianne hat eben den Sohn, den sie in der einen Nacht gezeugt haben, ohne sein Wissen und Hilfe erzogen. Als er starb, geht auch sie in den Tod, nicht ohne vorher Stefan die ganze Wahrheit über ihre Liebe zu ihm zu gestehen. Ganz ohne Bitternis und Vorwürfe sagt sie ihm: Du hast mich nie erkannt.

Martina Ebm gelingt es, all die verschiedenen Rollen, die des verträumten Schulmädchens, die der jungen Frau, die sich auf eine Nacht mit dem Geliebten einladen lässt, und die der erfahrenen Frau, die durch großes Leid gegangen ist, grandios zu verwirklichen. Nie kommt auch nur ein Hauch von Kitsch in ihre Erzählung, wenn sie sich an das schüchterne Mädchen erinnert, das mit Herzklopfen auf den Stiegen Stunden gewartet hat, nur um einen Blick von ihm zu erhaschen. Er aber hat sie übersehen, nie erkannt. Den schwierigeren Part hat Michael Dangl. Denn einen eitlen Mann zu spielen, das wäre ja noch leicht. Doch den Übergang von Eitelkeit zu Erkenntnis und Schuld – das verlangt ein feines Spielsensorium. Was Michael Dangl ohne großes Wortbrimborium in schlichter Weise meistert.

Bleibt zu hoffen, dass das Stück im Herbst wieder aufgenommen wird.

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Theater Scala: Arthur Miller: Tod eines Handlungsreisenden

Deutsch von Völker Schlöndorff und Florian Hopf

Regie: Peter M. Preissler, Bühne: Markus Ganser, Kostüme: Sigrid Dreger

Als das Stück 1949 uraufgeführt wurde, war es sofort ein Riesenerfolg, und Arthur Miller wurde schlagartig berühmt. Der amerikanische Traum hatte schon lange zu bröckeln begonnen. Kapitalismusgläubigkeit war einmal. Es ist kein Wunder, dass es bis heute immer noch oft und erfolgreich gespielt wird. Allerdings weniger oft bei uns. Zuletzt brillierte 2008 Heinz Marecek als Willy Loman im Volkstheater.

Nun wählte man sehr passend zur Coronaepidemie und der Wirtschaftskrise im Theater Scala gerade dieses Stück, obwohl der Intendant Bruno Max im Vorwort des Programmes betont, das es kein „explizites Corona-Stück“ sein soll. Aber ein besseres konnte man gar nicht finden in einer Zeit, wo viele Geschäftstore für immer verschlossen bleiben und die Zahl der Arbeitslosen enorm ist. Den Traum vom großen Geld haben sich die Großkonzerene verwirklicht als Gewinner der Epidemie. Alle anderen werden sich den Traum vom kleinen Ersparten abschminken und schauen, wie sie über die Runden kommen.

Zunächst einmal: Ein großes Lob an die Regie! Peter Preissler hat sich ganz uneitel, ohne Regiemätzchen dem Text anheimgestellt. Denn Arthur Miller war ein handwerklich ausgezeichneter Dramatiker, da muss ein Regisseur nicht mit Eigenwilligkeiten und Absonderlichkeiten dreinfunken. Es tut richtig gut, wieder einmal ein Theater zu sehen, das den Zuschauer nicht vor Rätselaufgaben stellt. Er, der Zuschauer, darf sich ganz auf den Text und die großartigen Schauspieler konzentrieren. Dezent, aber eingängig wurde Preisslers Konzept vom Bühnenbildner Marcus Ganser und den Kostümen von Sigird Dreger unterstützt. Eine Werbewand zeigt den Topos einer glücklichen, amerikanischen Familie in einem Auto der 50er Jahre: Alle strahlen vor Happyness. Das Inventar der Wohnung spricht allerdings eine ganz andere Sprache: einsames Prunkstück ist ein Eiskasten, der noch nicht ausbezahlt ist. Die Betten im Oberstock sind karg, ansonsten wirkt alles eng und kleinstbürgerlich.

Die großartige Leistung des gesamten Ensembles lässt den Zuschauer konzentriert und fast atemlos der Handlung folgen, auch wenn man sie schon kennt. Man hätte für die Rolle des Willy Loman keínen besseren als Thomas Kamper finden können. Er ist ein eitler Träumer, voller Lebenslügen und falschen Hoffnungen. Auch wenn er seine Frau Linda – sehr gut Susanne Winter – anschreit, sie mit einer Hure betrügt, so spürt man die Liebe, die er für sie hat. Auch die Verantwortung, unter der er zusammenzubrechen droht. Und die ihn letztendlich in den Selbstmord treibt. Wichtig ist ihm, seine Lebenslüge vom bestmöglichen Leben, von der großen Karriere, vom Wichtigsein, vor allem von dem Erfolg seines in seinen Augen genial-begabten Sohnes Biff aufrecht zu erhalten. Philipp Stix ist dieser Sohn mit allen Fasern: einst vom Vater zum Hochglanzsohn aufpoliert, dann fürchterlich gescheitert, von zu Hause ausgerissen, kehrt er wieder, weil er alles verloren hat. Und wie es für den gütigen Vater so gehört, er nimmt ihn auf, weil er immer noch an dessen Erfolgskarriere glauben will. Dass er damit den Sohn überfordert und letztlich ruiniert und zu einem Dieb und Herumtreiber gemacht hat, macht ihm Biff in einer erschütternden Szene klar. Hilflos und vom Vater unbeachtet muss der zweite Sohn Happy (sehr gut Thomas Machart) dieser Familientragödie zusehen. Aber Willy Loman ist nicht nur Täter, indem er die Familie mit seinen Pseudokarrieregeschichten täuscht, er ist auch Opfer. Opfer eines kapitalistischen Systems. In einer der bedrückendsten Szenen verlangt er beim Firmenchef – bezwingend widerlich gespielt von Regis Mainka – eine Gehaltserhöhung. Er nimmt sich zumindest vor, sie zu verlangen. Doch bald schon fällt er auf die Knie und fleht um wenigstens ein Almosengehalt. Als der Boss ihm stattdessen die Kündigung kalt serviert, schreit er ihn an: „Du kannstt die Zitrone nicht auspressn und dann die Schale wegwerfen – ein Mensch ist doch kein Abfall!“

Berechtigter begeisterter Applaus für alle Schauspieler und das ganze Regieteam! Eine bemerkenswerte Aufführung, ganz ohne Regietheaterquälerein, deshalb doppelt wirksam!

Karten und Infos: http://www.theaterzumfuerchten.at/TheaterScala

Trotz Corona und langem Lockdown wurde im Untergeschoss der Scala ein neues Theater eröffnet. „Während andere zusperren, eröffnen wir neu“ heißt es im Flyer. Im „Scalarama“, wie das neue Baby heißt, ist bis 18. Juni „Der zerbrochene Krug“ von H.C. Artmann nach Heinrich von Kleist zu sehen. Kartenreservierung: 01/544 20 70

Foto: Luise: Emilia Rupperti, Ferdinand: Tobias Artner, Walter: Tilman Rose, Wurm: Tim Breyvogel, Vater Miller: Andreas Patton.

Es beginnt eindrucksvoll mit exerzierenden Soldaten. Damit wird das Hauptthema angeschnitten: Schiller schrieb dieses Drama in seiner Sturm und Drangzeit. Er klagte die Despotenmacht der Fürsten an, die Soldaten zwangsrekrutieren, sie nach Amerika verschicken und für jeden hohe Summen kassieren. Mit diesem Blutgeld füllen sie ihre Staatskassen und können sich jeden Luxus leisten, wie etwa teuren Schmuck für die jeweilige Mätresse.

Dieser an sich gute Regieeinfall (Regie: Alexander Charim) geht aber ins Leere, wenn man nicht die historischen Fakten kennt. Erst viel später erklärt sich diese Szene im Gespräch zwischen Lady MIlford und dem Kammerdiener des Fürsten, wenn die Lady erfahren muss, womit all der Schmuck und Luxus bezahlt wird.

Interessant, aber nicht immer nachvollziehbar sind auch die Szenen, in denen die Schauspieler auf eine Wand klettern und mit eigenartigen Instrumenten unangenehme Geräusche erzeugen. Der Sinn dieser immer wiederkehrenden Aktionen hat sich mir nicht erschlossen. Sollen es die Misstöne in der Gesellschaft sein?

Schiller war Revoluzzer und Moralist. In all seinen Dramen ging es um den Konflikt zwischen Pflicht und Neigung und um die Fragestellung: Wer darf Macht über andere Menschen ausüben? In „Kabale und Liebe“ ist so gut wie die ganze Schillersche Tragödientheorie ablesebar: Luise entscheidet sich, ihre Liebe zu opfern, um das Leben des Vaters zu retten. Sie handelt nach dem, was ihr die Pflicht gebietet. Sie weiß sehr früh, dass ihre Liebe zum Sohn des Präsidenten keine Zukunft hat. Denn das Gesellschaftgefüge ist starr und es zu durchbrechen unmöglich. Ferdinand, der Träumer und Idealist, glaubt daran, dass Gesellschaftsschranken niedergebrochen werden können. Vater Miller ist der gehorsame Untertan, der die gesellschaftlichen Schranken ohne zu hinterfragen akzeptiert. Der allmächtige Fürst bleibt unsichtbar, spielt aber in jeder Szene die führende Rolle. Denn ohne seinen Willen kann gar nichts passieren. So hat jede Figur ihre theoretische Rollenaufgabe.

Aktueller denn je ist dieses Drama, weil Schmutzkübel und Intrigen der Politik offen dargelegt werden. Der Sekretär Wurm übernimmt gerne die kriecherische Rolle des Intriganten, wenn er nur damit seine eigenen Ziele – die Heirat mit Luise – durchsetzen kann. Ebenso der Präsident, Vater Ferdinands. Nicht ganz einsichtig war, warum der Regisseur den Schluss radikal verändert hat. In der Originalfassung vergiftet Ferdinand Luise und sich selbst. Charim hingegen meidet diesen eindeutigen, dramatisch sehr wirksamen Schluss und entlässt die Figuren in eine ungewisse Leere.

Dieser schwierigen Aufgabe, dem politischen Statement, den moralischen Aussagen und den hohen Idealen, die Schiller in all seinen Dramen postuliert, gerecht zu werden, gelingt in der Aufführung nur teilweise. Manchmal fehlt es an Wortdeutlichkeit, dann wieder am richtigen Umgang mit der nicht immer einfachen Sprache Schillers. Denn die ist kräftig, treffend, aber weit entfernt von unserem heutigen. von der digitalen Welt geprägten legeren bis sinnentleertenUmgangston.

Freundlicher Applaus

http://www.landestheater.net

Kleist: Der zerbrochene Krug. Sommerspiele Perchtoldsdorf

Den Sommerspielen Perchtoldsdorf ist es gelungen, mit Kai Maertens für die Rolle des Dorfrichters Adam und Birgit Stöger als Frau Marthe zwei großartige, in Perchtoldsdorf noch nicht gesehene Darsteller zu gewinnen, an deren Seite langjährig verbundene Schauspieler*innen wie Marie-Christine Friedrich, Dominik Warta und Emanuel Fellmer zu sehen sind. Neu auch im Ensemble das Liebespaar: Hannah Rang als Eve und Phillipp Laabmayr als Ruprecht, die beide frisch von der Schauspielschule in diese jugendlichen Glanzrollen schlüpfen werden.

Vom 30.06-31.07 2021

http://www. sommerspiele-perchtoldsdorf.at

Goldoni: Die Verliebten. Ab 16. Juli im Wiener Lustspielhaus

Das Wiener Lustspielhaus ist zurück und wird dieses Jahr das für 2020 bereits geplante Stück „Die Verliebten“ von Carlo Goldoni Am Hof zur Aufführung bringen. Adi Hirschal ist in der Rolle des Eugenius Speismeier zu sehen. Als Erbe eines heruntergekommenen Ringstraßen Palais‘ und überforderter Onkel zweier Nichten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, versucht er, von ständigem Geldmangel bedroht, seine beiden Nichten Flori und Violetta mit Kunstsinn und Kochkunst an den Mann zu bringen. Mit von der Partie noch der Rechtsanwalt Willibald Winkel, Graf Rupert von Tanelle und das Gefühlsbündel Valentin Schmor. Für die dringend notwendige Bodenhaftung sorgen die treuen Diener Sigi Durstl und Toni Huber. Begleitet von drei wunderbaren Musikern findet schließlich jeder Topf seinen Deckel…

Besetzung
Eugenius Speismeier, Privatier – Adi Hirschal
Rupert von Tanelle, ein Adliger – Nikolaus Firmkranz
Violetta Speismeier,  Eugens Nichte – Doris Hindinger
Flora Speismeier, Violettas Schwester – Julia Jelinek
Valentin Schmor, ein Bürger – Christian Kainradl
Willibald Winkel, ein Anwalt – Nikolaus Firmkranz
Henriette Schmor, Valentins Schwägerin – Judith Thaler
Sigi Durstl, Eugens Diener – Christian Kainradl
Toni Huber, Valentins Diener – Adi Hirschal

Team
Autorin, Regie & Kostüme – Maddalena Hirschal
Bühne – Stefan Koch
Musikalische Leitung – Thomas Mahn
Maske – Zoe Marvie
Ton – Otto Bräuer
Licht – Sigrid Feldbacher
Regieassistentin – Judith Thaler
Produktionsleitung – Anita Horak
Geschäftsführung – Siegmund Ganswohl
Intendanz – Prof. Adi Hirschal

Gastprogramme mit „Wiener Schmäh“
Auch dieses Jahr gibt es ein zweimaliges Wiedersehen mit Adi Hirschal und Wolfgang Böck und ihren Strizziliedern. Des Weiteren Polly Adlers Nymphen in Not mit Angelika Hager, Ulrike Beimpold, Petra Morzé. Dem Thema Verführung ab 50 widmen sich Heilbutt & Rosen mit Theresia Haiger und Helmuth Vavra. Erika Pluhar und Adi Hirschal lesen und singen „Miteinander“ ausgewählte Texte und Lieder musikalisch unterstützt von Roland Guggenbichler. Das Finale des Sommers 2021 ist dann wie gewohnt das traditionelle Sommerschluss-konzert mit Adi Hirschal und den Brennenden Herzen – ein Gala-Abend in XXL-Format!

Alle Infos unter: http://www.wienerlustspielhaus.at

Der Leichenverbrenner. Franzobel nach Ladislav Fuks. Akademietheater

Regie: Nikolaus Habjan. Puppenbau: Nikolaus Habjan und Marianne Meindl. Bühne: Jakob Brossmann. Kostüme: Cedrik Mpaka

1967 schrieb der tschechische Autor Ladislav Fuchs (1923-1994) den Roman „Der Leichenverbrenner“. Darin lotet er die Mechanismen aus, die aus einem Familienvater einen glühenden Nazi und Mörder werden lassen. Franzobel arbeitete den Roman zu einem irritierenden Drama um. Der Intention des Werkes folgend schuf er eine Art Fabel, in der die Protagonisten stellvertretend für Menschen in einer gefährlichen Umbruchszeit stehen. Alle handelnden Personen sind Prototypen, sie agieren wie Marionetten nach einer Logik, die ihnen eingeschrieben ist. Wann und wie aus einem „fürsorglichen Familienvater“, wie sich Karel Kopfrkingl gerne selbst lobt, ein Anhänger Hitlers und Mörder wird, lotet Franzobel in einer Art Stationendrama aus.

Karel Kopfrkringl testet gerne die Macht über seine Kinder und Frau aus. Die Grausamkeiten tarnt er unter einem Geschwürbe von schönen Worten. Je mehr er verletzt, desto mehr betont er seine Fürsorge. Eine Gewaltrspirale unter dem Deckmantel der Liebe. Michael Maertens in glatter Scheitelfrisur und korrektem Anzug spielt diese Rolle des mordenden Menschenfreundes perfekt. Mit einer Kunstsprache, in der immer der Ton Grausamkeit mitschwingt, wird er zum perfekten Typus des karrieresüchtigen Mitläufers. Denn nach jedem Verrat an Freunden steigt er die Leiter im Krematorium hoch, bis er schließlich Direktor dieser Menschenverbrennungsanlage wird.( Die Symbolik ist ein wenig zu vordergründig, aber wirksam!) Dorothee Hartinger ist eine in stummer Ergebenheit nebenher stehende Ehefrau, die nur hin und wieder aufmuckst, wenn der Göttergatte den schüchternen Sohn (Sabine Haupt) in Grund und Boden kritisiert und lächerlich macht. Alexandra Henkel als Tochter schleckt Eis und malt sich die Lippen an, lässt die Attacken des Vaters an sich abprallen. Dem Schicksal, vom Vater erschlagen und in einen Sarg gebettet zu werden, entgeht sie dennoch nicht. Denn der treusorgende Familienvater findet seine Familie zunehmend karrierebehindernd. Deshalb bringt er auch gleich die Frau und den Sohn um. Wenn schon, denn schon. Als Belohnung für seine Taten winkt ihm der Posten eines Dalai Lama. Das ist kein Witz, sondern Groteske auf die Spitze getrieben.

Ein Stoff, für den Puppenspieler Nikolaus Habjan wie geschaffen! Gemeinsam mit Manuela Linshalm (Puppenbauerin und Puppenspielerin) und Jakob Brossmann, verantwortlich für die Bühne, schuf er ein Theater der Groteske. Er ließ das ganze Geschehen in einer Bühne auf der Bühne ablaufen. Schuf Puppen von betörender Grauslichkeit, wie etwa das streitende Ehepaar: Sie ist eine Kassandra, die das Übel des Weltkrieges kommen sieht, er hält sie für dumm und krank und verdrischt sie nach Lust und Laune. Grausamkeiten, die man als Zuschauer nur erträgt, weil es Puppen sind. Eindrucksvoll auch die Puppenfigur des überzeugten Hitleranhängers Reinke, hinter der Nikolaus Habjan in Totenmaske steht.

Ein Abend, der Ablehnung und Bewunderug auslöst. Ablehnung, weil die Figuren oft recht klischeehaft gezeichnet sind. Bewunderung für die Leistung der Schauspieler und der Puppenspieler, die aus dem grotesk-tragischen Mischmasch ein eindrucksvolles Ganzes schufen.

http://www.burgtheater.at

Molière: Schule der Frauen. Landestheater Niederösterreich

Regie: Ruth Brauer-Kvam, Bühne: Monika Rovan, Kostüme: Ursula Gaisböck, Musik: Ingrid Oberkanins

Ein schon in die Jahre gekommener Esel von einem Mann, bekannt in Paris als Spötter und Eheflüchter, entschließt sich zu heiraten. Um ja sicher zu gehen, dass ihn seine Zukünftige nicht betrügen wird, züchtet er sich die ideale Ehefrau heran: Ein Mädchen aus dem Kloster, das nichts von der Welt gesehen hat. Dumm soll sie sein, dumm soll sie bleiben. Doch dieses Mädchen ist klüger als der alte Esel vermutet. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, die der alte Esel – Molière nennt ihn Arnolphe – setzt, verliebt sich das Püppchen – Agnès genannt – in den lebenslustigen Horace, der sie die Freuden des Lebens, der Liebe lehrt. Natürlich bekommt Agnès ihren Horace und Arnolphe muss klein beigeben.

Eine Klischee- Geschichte, oft durchexerziert in der Oper, vor allem aber Grundlage für viele Komödien, besonders der Commedia dell`Arte und der späteren Zeit.

In einer Komödie fragt man nicht, ob das Thema heute relevant ist. Hauptsache ist der Witz, der Einfall. Manche Regisseure setzen den Stoff in die Gegenwart (so gerade in der Staatsoper im „Don Pasquale“ zu erleben und zu genießen). Viele greifen auf die Figurenführung und Kostüme der Commedia dell`Arte zurück und bleiben in dieser Zeitschiene.

Ruth Brauer-Kvam setzt alles ein, was aus der Komödienkiste kommt: Die Übertreibung aus dem Slapstick, die Bewegungen aus der Commedia dell`Arte, Grundzüge aus dem Marionettentheater und Heutiges, wie zum Beispiel die Musik von Ingrid Oberkanins, die das Geschehen ironisch begleitet . Eine Mischung, die amüsant ist, aber die Gefahr des Zuviel birgt.

Alle Schauspieler sind mit einem überschäumenden Temperament ausgestattet. Voller körperlicher Einsatz wird verlangt, vor allem von Tim Breyvogel und Tobias Artner als die beiden urdummen Diener von Adolphe, gespielt von Tilma Rose. Letzteren in seinem Antrittsmonolog zu verstehen, war ziemlich mühevoll. Denn bis die Worte auf den Balkon, 3. Reihe, gelangten, waren die Endungen und manche Vokale schon irgenwo im Nirwana verschwunden. War der deutschgefärbte Akzent bewusst eingesetzt? Entzückend Laura Laufenberg als Agnès. Zuerst als Puppe mit Rollschuhen, dann im Laufe ihrer Emanzipation in kurzem Kinderkleidchen. Zuerst naiv, dann aber schlau naiv. Witzig auch Horace (Philip Leonhard Ketz) als Latin-Lover. Er ist niedlich, wie er so verliebt über die Bühne haspelt und stolpert. Einmal auch zu Pferd, was irgendwie komisch sein sollte, aber doch nicht allzu schlüssig war. Es blieb ein Gag um des Gags willen.

Die Idee, mitten im Geschehen die Figuren Uranie und Climène umhermarschieren und das Spiel kommentieren und kritisieren zu lasssen, wirkt allzu gewollt und aufgesetzt „postmodern“. Schon klar, sie stellen die Kritiker, die einst über Molière herfielen, und zugleich die möglichen Kritiker der gegenwärtigen Aufführung dar. Doch die theoretischen Auseinandersetzungen gehen in dem allgemeinen Trubel unter. Noch unnötiger ist das Liebesgerede der beiden.

Fazit: Eine quirlige Inszenierung, gespickt mit vielen Regieeinfällen, die manchmal zu viel des Guten sind. Körperlich gut trainierte Schauspieler, die mit vollem Einsatz spielen.

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Landestheater Salzburg: Faust. Inszenierung:Carl Philipp von Maldeghem

„Faust“, wie man ihn noch nie so klar, ganz ohne Regiekapriolen gesehen hat. Für mich die beste Faust-Inszenierung, die ich je erlebte.

Wenn der Intendant des Landestheaters von Maldeghem und Christian Floeren (Bühne und Kostüme) zusammenarbeiten, dann weiß man, dass es großartig wird. Ein Feuerwerk an Bildern und Schauspielleistungen ließ mich ruhig zurücklehnen und genießen! Ich war nicht gezwungen, mich zu fragen, was dieses oder jenes bedeuten könnte. Alle Szenen waren eingängig, ohne dabei einer Simplifizierung zum Opfer zu fallen.

Dass die Schauspieler durchwegs großartig waren, versteht sich von selbst. Allen voran der quirlig-witzige Gregor Schulz als Mephisto. Er wirbelt über die Bühne und lehrt Faust, was Leben heißt. Denn der (Christoph Wieschke) bekommt hier von der Regie ordentlich sein Fett ab: Ein erfolgloser, frustrierter Forscher, der mit seinem Leben nichts mehr anzufangen weiß und gerade dabei ist, sich umzubringen. Irgendwie tranig verfolgt er, was da Mephisto ihm vorspielt, selbst der Verjüngungstrank kann ihn nicht wirklich in einen Jungspund verwandeln. Ein Mädchen, fast noch ein Kind, muss es sein!. Ein junges, frisches Ding, ja, da wachen seine Hormone auf. Nikola Rudle als Gretchen gibt es ihm ziemlich barsch: Danke, ich brauch keine männliche Begleitung, ich finde allein nach Hause. Und schwingt ihren reizenden Popo, der in einer kurzen, abgerissenen Jeans steckt, von dannen. In keiner Szene wird sie zu einem Jammerwesen. Stark bis zum Schluss. Im Gefängnis ist sie nicht wahnsinnig, sondern klarsichtig und scheucht Faust mit den bekannten Worten: Heinrich, mir graut vor dir, aus dem Käfig.

Von Maldeghem inszeniert den Faust in sprachlicher Klarheit – die Verse kommen wie selbstverständlich, machen keine Mühe. In die faszinierenden Bühnenbilder voll optischer Überraschungen stellt er schlichte, aus dem Alltagsleben herausgeschnittene Figuren hinein. Nie kommt Pathos oder hohle Deklamation auf. Es wird eine Beziehungsgeschichte gezeigt, die tragisch ausgehen könnte. Aber Tragik war nie so recht Goethes Sache gewesen. Er zog in seinen Dramen fast immer den positiven Schluss vor: Gretchen wird nicht der Hölle preisgegeben, sondern von dem Herrn persönlich (gespielt von Larissa Enzi als weiblicher Gott) gerettet.

Viele Szenen werden in Erinnerung bleiben, etwa das Federballspiel zwischen Mephisto und Faust, in dem Faust von Mephisto verlangt, er möge ihm gefälligst den WEg in Gretchens Bett ermöglichen. Dem Mephisto verschlägt es die Sprache über die Machoforderungen seines Klienten. Vorsichtig gibt er zu Bedenken: Gretchen ist noch ein Kind! Mephisto wird zum moralischen Mahner!!. Aber für Faust bleibt alles ein Spiel, selbst als Gretchen ihn kurz darauf fragt, wie er es mit der Religion hält. Er gibt ausweichende Antwort, spielt lieber weiter Federball. Im Garten spielen Gretchen und er kindisch Fangen, kreischend und lachend. Die Liebe ist Spiel, dann ganz plötzlich bitterer Ernst – übergangslos der Schrei Gretchens: die Mutter ist tot, sie hat ihr zu viel von dem Schlafmittel gegeben.

Obwohl eine Corona bedingt verkürzte Fassung gespielt wurde, wurde das Werk nicht bracchial, sondern mit viel Gespür für die Grundlinien gekürzt.

Ein Abend, der es wert ist, von Wien nach Salzburg zu fahren! Man verlässt das Theater mit dem innigen Wunsch, so ein Maldeghem möge auch Wien geschenkt werden. Nicht vorzustellen, was man da in der Burg oder im Volkstheater erleben könnte!

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Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Landestheater Niederösterreich

Nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Mann. Inszenierung und Fassung: Felix Hafner

Kein leichtes Unterfangen, aus dem vielschichtigen und hintergründigen Roman von Thomas Mann eine leichte, flauschig-luftige Komödie zu machen. Chapeau! in einer Stunde und 20 Minuten verstand es der Regisseur Felix Hafner, sein Publikum auf hohem Niveau zu unterhalten.

Ein einfaches Bühnenbild (Anna Sörensen) – ein Tisch, der zur schiefen Bahn, zur Weltbühne oder zum Tennisplatz wird, erlaubt, ohne Kulissenwechsel das ganze gesellschaftliche Spiel um Betrug und Betrogenwerden abzuspulen. Vor allem verdankt das Stück seinen ERfolg den durchwegs guten Schauspielern, die im raschen Rollenwechsel geübt, vom Kleinbetrüger zum König (Laura Laufenberg), vom Stabsarzt zum Hoteldirektor (Michael Scherff), vom Beamten zu Madame Houpflé (Nanette Waidmann) und von der Concierge zum Marquis de Venosta (Tilman Rose) mutieren. Als komödiantisches Supertalent erwies sich Tobias Artner in der Rolle des Felix Krull: Hübsch anzuschauen in einem Glitzerbody, sehr erotisch, mit dem nötigen Augenzwinkern, spielt er diese Rolle bravourös.

Zu Beginn erleben wir ihn, wie er – angelehnt an das letzte Abendmahl – seinen devoten und staunenden Anbetern sein Erfolgsrezept verrät: Beobachten, beobachten! Dann blitzschnell erfassen, wie er -gleichsam als vorauseilender Wunscherfüller – sein Gegenüber manipulieren kann. So gelingt es ihm, dem Wehresstabsarzt den Epileptiker vorzuspielen. Der ist ganz verzückt über die vermeintlich von ihm so genial gestellte Diagnose und erklärt ihn für untauglich. Das System funktioniert: Felix erspürt mit fast animalischer Intelligenz die Wünsche seines Partners, Partnerin, bevor diese noch überhaupt wissen, was sie wünschen werden. Ein tolles Rezept für jeden Machtpolitiker!

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„Die Königin ist tot“ nach dem Roman von Olga Flor

Künstlerische Leitung, Regie: Anna Maria Krassnig. Regiemitarbeit:Jérôme Junod. Bühnenbild: Andreas Lungenschmid, Licht: Lukas Kaltenbeck. Eine Produktion von „wortwiege“

Ort:In einem Tonnengewölbe der Kasematten in Wiener Neustadt. Das Publikum wird durch die wuchtigen Mauern und Gänge auf das Drama eingestimmt.

Bühnenbild: Ein riesiger blauer Mauerbogen umspannt die Szenerie, die an einen vom Wasser überspülten Palast in Vendig erinnert. Stege ermöglichen noch ein mühevolles Weiterkommen. Über eine Treppe gelangt man in eine geheimnisvolle Höhe.

Die Akteurinnen: Drei Frauen (Nina C. Gabriel, Petra Staduan, Isabella Wolf). Sie sehen alle gleich aus, weil sie eine Frau in ihren verschiedenen Charakter- und Entwicklungsstufen darstellen. Sie heißt/heißen Lilly und erinnern in manchen Zügen an die Lady Macbeth aus Shakespeares gleichnamigen Drama.

Die drei Lillys (Foto: Andrea Klem)

Zu Beginn gleich ein Vorgeschmack, wie diese Lilly an die Macht kommt: Als Liftgirl bläst sie dem Medienzar Duncan bei jedem Stockwerk einen Orgasmus. Solch Geschick wird belohnt, er heiratet sie. Wie das so ist, tauscht er sie bald gegen eine Jüngere aus, sie bekommt seinen Stellvertreter. Dann dreht sich die Gewalt- und Intrigenspirale in einem wahrhaft mörderischen Tempo: Mord, Denunziation, Hinrichtungen… alles ist möglich! Bis zur Erschöpfung der Ladies/Lady, die Selbstmord begeht. Auch das Publikum ist erschöpft. Denn dieses Mörderspiel braucht höchste Konzentration. Kurze Absenzen werden sofort bestraft, denn man verliert den inhaltlichen Faden: Wer hat gerade wen umgebracht?

Aber der eigentliche Reiz dieses Spiels liegt in der faszinierenden Inszenierung: Alles dreht sich um Lilly/ die Lillys. Nur ihre Sicht gilt. Die zahlreichen Männer dürfen auch mitreden, aber nur im Off als Fotomontage und als Zitate aus dem Mund der Ladies: „..sagt er“. Olga Flor und die Regisseurin haben durch die drei Lillys einen sezierenden Blick auf die Männerwelt geworfen. Doch zugleich entblösst und denunziert Olga Flor auch das heutige Frauenbild. Mitleidlos reißt sie den Frauen die Maske herunter. Darunter kommt ein berechnender Charakter hervor, dem alle Mittel recht sind, die Männer mit Sex und Intrigen klein zu kriegen. Mit glasklarer, sezierender Sprache und in einem fast archaischen Rhythmus deklinieren die drei Lillys die Begriffe Sex, Verführung, Intrige, Lüge und Mord herunter. Da stehen sie in Nichts den Männern nach.

Eine beeindruckende Leistung. Leider verabschiedet sich die Gruppe „wortwiege“ fürs Erste und kommt erst wieder im Herbst 2021. Dann mit einem neuen Programm, auf das man gespannt sein darf!.

http://www.wortwiege.at

Heiner Müller: Quartett. Im off-theater.

Regie: Luca Palyi, Bühne und Kostüm: das Team.

Tamara Stern ist den Besuchern des off-Theaters keine Unbekannte. In „Kein Groschen, Brecht“ spielt sie großartig alle Figuren, schlüpft flott von Brecht in all die Frauen, die der große Brecht recht kostengünstig auszunützen verstand.

Blitzschneller Rollenwechsel ist ihre Domäne. Gemeinsam mit Gerald Walsberger spielen die beiden das pikante Vexierspiel um Verführung, Bigotterie und Gesellschaftsintrige. Als Marquise de Merteuil, die Tratsch- und Intrigentante im französischen Rokoko, verleitet sie ihren ehemaligen Liebhaber Vicomte de Valmont, die eben aus der Klosterschule entlassene Nichte Cécile zu verführen. Als Gewinnerpreis für die vollzogene Entjungferung lockt eine Liebesnacht mit ihr. Doch Vermont zieht nur halbherzig mit. Zunächst möchte er endlich die bigotte Madame de Tourvel zur Strecke bringen. Was ihm gelingt, doch danach bringt sich die Gefallene um.

Wie nun die beiden Schauspieler blitzschnell in die Rolle des anderen Geschlechts schlüpfen, ist ein Teil des großen Vergnügens, das den Zusehern bereitet wird. Komik birgt die Tragik einer Gesellschaft in sich, die Sex mit Liebe verwechselt, die Erotik als Spiel um Eroberungen und Niederlagen ansieht. Man lacht über die Entjungferung Céciles, das als Schatten-Handspiel, wie man es mit Kindern übt, eingebettet im schlüpfrig- eindeutig-zweideutigen Text, über die Bühne geht.

Am Ende hat man einen vergnüglichen Abend verbracht, die beiden Schauspieler haben mit Hingabe gespielt, die etwa zehn (!) Zuseher haben begeistert geklatscht, um den Einsatz des Teams zu belohnen. Aber was heißt schon „belohnen“? Einmal mehr kam die prekäre Lage der freien Theaterszene ganz deutlich heraus: Die Schauspieler müssen, wollen spielen, auch wenn nur zehn Leute im Zuschauerraum sitzen. Und wie kann ein kleines Theater wie dieses, wie können die Schauspieler mit einer Minigage überleben? Was tut die Politik? Die hochgelobte Andrea Mayer?

Wir als Zuschauer können nur eines: Ins Theater gehen, trotz Corona!

„Das Quartett“ ist ein Koproduktion von DAS OFF THEATER und *sterne*reißen*

http://www.off-theater.at

Festspielhaus St.Pölten eröffnet mit „Das Dschungelbuch“ nach Kiepling. Eine Produktion von Théâtre de la Ville-Paris

In englischer und französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Regie, Bühne und Licht: Robert Wilson. Musik und Liedtexte: CocoRose

Was für ein heiterer, unbeschwerter Auftakt nach der langen Corona bedingten Schließung! Robert Wilson hat sich eine zarte Mischung aus Musical und Zirkus ausgedacht. Wie immer arbeitet er mit zauberhaften Lichteffekten. Wie ein Märchen aus der unschuldigen Zeit, als Tiere noch friedvoll und Menschen so was von pfui waren, mutet alles an. Erzählt wird von einer Art Märchenelefantentante, Kinderfrau in weißem Nachthemd und riesigen Ohren ( Aurore Deon). Den Mowgli gibt Yuming Hey.Von ihm geht ein besonderer Zauber aus, vielleicht auch weil er an den „Kleinen Prinzen“ von Saint Exupéry erinnert: zart, klein, in einem roten Hemd, die Haare in einzelnen Zipfeln aufgekämmt. ER tanzt mit großen Kinderaugen zwischen den Tieren. Als er zu den Menschen kommt , staunt er über deren Eigenarten, beschließt, sie nicht zu mögen und kehrt flugs in den Dschungel zurück. Ein besonders liebenswerter, tollpatchiger Bär (Francois Pain-Dozene) tanzt und singt sich in die Herzen der Zuschauer hinein. Jede einzelne Figur ist witzig, ironisch. Die Musik flott, die Tanzszenen einfach, die Kostüme von Jacques Reynaud bezaubernd, nicht übertrieben.

Mowgli und der Tiger (Roberto Jean) (Foto: Lucie Jansch)

Insgesamt eine frisch-fröhliche Inszenierung, Gott sei Dank ganz ohne Corona- und sonstige Bezüge. Robert Wilson will einfach nur ein Märchen erzählen. Und das ist ihm exzellent gelungen. Das Publikum dankte mit viel Applaus dem ganzen Ensemble, besonders den bei der Première anwesenden Robert Wilson.

http://www.festspielhaus.at

Elisabeth Joe Harriet eröffnet die 3. Saison der „Konversationen im Herrenhof“: Olga Schnitzler konversiert mit Karl Kraus.

Durch die weit geöffneten Fenster des Salons im „Café Herrenhof“ strömt milde Spätsommerluft. Fiaker ziehen vorbei, ihr Hufgeklapper ist die Musik, die zu diesem Nachmittag passt: Olga Schnitzler (Elisabeth-Joe Harriet) plaudert mit Karl Kraus (Kurt Hexmann). Man könnte meinen, in die Zeit nach 1900 rückversetzt worden zu sein.

Olga im Midikostüm aus der Zeit, die Haare zu einem strengen Knoten im Nacken gefasst, Karl Kraus im eleganten dunklen Anzug mit Fliege, Nickelbrille und strengem Lächeln – so schreiten sie Arm in Arm vor zum Podium. Und dann beginnt ein Feuerwerk an geistreichen Gesprächen – wehmütig fragt man sich: Wo sind so spritzige Dialoge heute noch zu erlerben? Hat uns die Digitalisierung das analoge Denken im Sprachzentrum zerstört. Man lehnt sich zurück und genießt das Salongeplauder.

Olga Schnitzler ist eine versierte Gesprächspartnerin, steht ihrem sprachgewaltigen Gast an Wissen und Witz um Nichts nach. Wie um ihren Gast gesprächslocker aufzuwärmen, fragt sie ihn über seine Kindheit in dem Städtchen Giltschin in Böhmen und seine Jugend in Wien aus. Über die Professoren wird ein wenig gelästert, und Kraus/Hexmann liefert eine gelungene Parodie seines Geographieprofessors.

Schnell ist man bei den Feindbildern: Hermann Bahr, den er so gar nicht mochte, qualifiziert er als zu wankelmütig ab. Der wechselte seiner Meinung nach Haltungen und politische Richtungen wie das berühmte Hemd. Für die „Neue Freie Presse“ im speziellen und die Medien im Allgemeinen hat er nur Verachtung. Er nennt sie neue feile Presse. Seinen Kampf gegen Dummheit und Korruption lebte er bekanntlich in der „Fackel“ gründlich aus.

Olga Schnitzler, kluge Schmeichlerin, möchte mehr über den Privatmenschen Karl Kraus erfahren. Geschickt entlockt sie ihm die intimsten Gedanken über die Liebe. Ganz verschwärmt erinnert sich Karl Kraus an seine große Liebe, die Schauspielerin Annie Kalmar. Sie starb sehr jung an Krebs in Hamburg. Er besorgte das Begräbnis und pflegte ihr Grab.

Diskretion war Karl Kraus wichtig. Dass von seiner Wohnung in der Lothringerstraße Fotos existieren, empört ihn über den Tod hinaus. Sie war sein Rückzugsort, wohin nicht einmal die besten Freunde eingeladen wurden. Er hatte nur wenige Freunde, denen er aber ein Leben lang die Treue hielt. Ob Arthur Schnitzler dazu gehörte? Wohl kaum. Sonst würde er ihm nicht „sexuelles Tirolertum“ vorwerfen. Olga lächelt dazu, wissend und gequält.

Karl Kraus war auch ein ahnungsvoller Prophet. Sehr früh schon erkannte er, dass die Menschheit die Natur gierig ausbeutet und dabei sich selbst am meisten schadet. So endet er die Konversation mit den bitteren Worten: „Seitdem sich die Menschheit mit einem Propeller verbindet, geht es mit der Natur abwärts!“

Diese geistreiche Konversation sollte man nicht versäumen! Wie immer werden in der Pause im Café Herrenhof Tee, Kaffee, Kirschlikör und die Steigenberger Herrenhoftorte serviert. Die nächsten Termine im Steigenberger Hotel Herrenhof : 20., 27. September, 1. 15. 29. November jerweils um 15h.

Karten nur im Vorverkauf unter: 0676/ 899 68 050 oder sylviareisinger@aon.at

Informationen über das gesamte Programm von Elisabeth-Joe Harriet:

http://www.elisabeth-joe-harriet.com

Dürrenmatt nach Shakespeare: König Johann

Künstlerische Leitung und Regie: Anna Maria Krassnigg

Das Ensemble „wortwiege“ ist vom Thalhof in die Kasematten nach Wr. Neustadt umgezogen. Dort weiß es die Gemäuer und die Atmosphäre dieses ehemaligen Waffenlagers aus dem Mittelalter ausgezeichnet zu nützen: Mit einem fantasievollen Bühnenbild (Andreas Lungenschmid), einer raffinierten Lichtregie (Lukas Kaltenbäck) und einer zum jeweiligen Geschehen punktgenau passenden Musik (Christian Mair) wird das Publikum vom Anfang an gefesselt.

Die Geschichte um diesen Johann (1167-1216), der auch oft „Johann ohne Land“ tituliert wird, ist ziemlich verworren. Kurz zusammengefasst: König Johann lässt sich in Verhandlungen mit König Phlipp ( sehr überzeugend:Jens Ole Schmieder) ein, um Teile seiner Erbländer in Frankreich zurückzubekommen. Beide schließen Verträge, die sie nicht halten, gehen Bündnisse ein, die sie gleich wieder brechen. Es mischt natürlich auch die Kirche mit, belegt zuerst König Johann mit dem Kirchenbann, gleich darauf König Philipp. Am Ende stehen beide vor den Trümmern ihrer Machtgier, haben Tausende von Menschen geopfert und nichts an Vernunft gewonnen.

Ein hoch motiviertes Ensemble macht dieses schwierige Stück zum faszinierenden Erlebnis. Allen voran Horst Schily. Er gibt diesem König Johann einen vielschichtigen, keinesfalls einschienig bösen Charakter. Mal ist er fies, dann wieder kindisch, gleich darauf ein Wüterich. Wenn er so ganz langsam seine Augen schweifen lässt, dann kann man nicht erahnen, was in ihm vorgeht. Manchmal ist er ein armseliger Tropf, dann ein hinterhältiger Machtmensch, gleich darauf weinerlich. Nie brüllt er, eher ist seine Stimme verhalten, als wollte er seine geheimsten Gedanken nicht preisgeben. Dürrenmatt hat die Frauenrollen in dem Stück deutlich aufgewertet. Blanka (Petra Staduan) tobt sich als Jungemanze aus. Kaugummikauend und in Halbstiefeln stapft sie über den Steg, weigert sich als Schachfigur im Machtspiel der Männer missbraucht zu werden, lässt den von ihr gewünschten Ehemann, den sie aber aus politischen Gründen nicht bekommt, von Knechten auspeitschen,weil er (Niko Lukic )sich nicht für sie eingesetzt hat. Frauenemanzigpation mit einem Schuss Ironie! Herrlich überzeichnet auch die Rolle des Kardinals, der im Namen des Papstes den Bann ausspricht. Isabella Wolf im Conchita Wurst-Look legt in dieser Rolle eine Tanzparodie der Sonderklasse hin. Und Österreich? – ja, das Land hält sich aus den Intrigen draußen. Nina Gabriel als Herzog Leopold V. von Österreich steht im Hintergrund im Steirerhut mit Geweih und langem Mantel und mampft Äpfel. Er kann zuschauen, wie sich Johann und Philipp gegenseitig vernichten, hat er doch gerade vor kurzem Richard Löwenherz gegen ein hohes Lösegeld frei gegeben. Mit dem Geld baute er Wiener Neustadt als uneinnehmbare Festung auf. (Ein Teil davon sind die Kasematten). Julian Waldner sorgt für Gelächter, wenn er in Blitzeseile von einer Rolle in die andere schlüpft und das aufgeblasene Gehabe der Diplomatie ad absurdum führt.

Ein spannender Abend, den man nicht versäumen sollte. Ein Tipp: Vor der Vorstellung ist es ratsam, sich über die Geschichte dieses Johann schlau zu machen. Denn sonst wird es besonders am Anfang schwierig, dem schnellen Geschehen zu folgen. Noch dazu, wenn die Akustik dieses Raumes nicht die beste ist. Aber – so hört man – die kommenden Vorstellungen sollen in einem anderen Saal mit besserer Akustik gespielt werden.

Termine und Infos:

http://www.wortwiege.at

„Romeo und Julia“ in Perchtoldsdorf – Aufführung am 13. August 2020

Regie: Veronika Glatzner, Textbearbeitung und Dramaturgie: Angelika Messner.

Es hat sich ausgezahlt, zu warten. Um 19.30 war es noch immer nicht sicher, ob gespielt werden wird. In der Umgebung tobte ein heftiges Unwetter. Über der Burg brauten sich dunkle Wolken zusammen. Doch mit einiger Verspätung konnte dann doch das Spiel um Hass, Liebe und Tod begonnen werden.

Zunächst das Eingangsbild: Gestalten in weißer Kleidung (Kostüme: Marie Sturminger), manche Männer mit ziemlich dümmlichen Frauenattributen, beginnen aufeinander los zu gehen, fallen um. Tot. Dann erscheint eine starre Fürstin (Marie-Christine Friedrich), die, geschockt über so viele Tote, endlich Frieden zwischen den Capulets und Montegues verlangt. Nach dieser schon sehr schrägen Introduktion beginnt das Spiel, ziemlich vergagt und überinszeniert. Die Amme (ebenfalls M-Ch. Friedrich) ist hysterisch, sexgeil und leicht verblödet. In dieser Rolle zwar exzellent, aber man fragt sich, wozu diese Übertreibungen. Dann die Balkonszene: Valentin Postlmayr hängt als knabenhaft verliebter Romeo auf dem Stahlgerüst und wird von den weißen Segeltuchvorhängen, die der Wind in die Luft und um ihn wirbelt, eingehüllt. (Bühne: Paul Sturminger). Diese ungewollte Komik passt natürlich überhaupt nicht zu der Balkonszene – das Publikum lacht herzlich und beklatscht Romeo, der sich tapfer gegen die Riesenleintücher wehrt. Auch Julia (Lena Kalisch) bewahrt die Contenance und bleibt tapfer am Text.

Inzwischen zischen Blitze über den Himmel über der Burg, passend zu der Kampfszene zwischen dem ewig lästernden und stänkernden Mercutio (Emanuel Fellmer) und Tybalt (Raphael Nicholas). Beide legen eine ziemlich gute Perormance hin, Mercutio schnaubt und wütet wie ein Tier. Leider ist die ganze Szene viel zu lang, wodurch ihr die Schärfe und Brillanz genommen wird.

Nach der Pause (einige Zuschauer haben das Theater verlassen) werden die Szenen dichter und berührender. Tragik und Leid werden spürbar. Die Spannung steigt, obwohl ja jeder im Publikum den Ausgang kennt) Nun verzichtet die Regie auf Gags und setzt ganz auf große Gefühle. Der Selbstmord der beiden – auf einem Podest über dem Bühnenboden- lässt alle allzu komödiantischen Einfälle des ersten Teils vergessen.

Viel Applaus und Bravorufe für das ganze Ensemble.

Es wird noch bis Freitag 4. September gespielt.

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Neil Simon: Sunny Boys im „Schwimmenden Salon“

Ort: Thermalbad Vöslau. Mit dem Komödien-Trio Petra Morzé, Micheal Maertens und Roland Koch.

Es war einer dieser wunderbaren Sommerabende. Die Kulisse des Thermalbades imaginierte Vergangenheit, das Publikum war erwartungsvoll und zahlreich gekommen.

Das Trio durfte sich in Komik, Schrulligkeit und handfestem Klamauk austoben. Maertens als Willy Clark im kniekurzen Bademantel, einer scheußlichen Bermuda, dazu karierte Socken – der Grantler, wie er im Büchl steht. Petra Morzé war in voller Fahrt einmal als Nichte und verzweifelte Managerin ihres Onkels, dann als Krankenschwester im Set. In dieser Szene war sie umwerfend sexy: Im Kurzkleidchen, das gerade über die Popobacken reichte, weißen Halterstrümpfen mit rotem Zierblumen hielt sie Maertens ihr Hinterteil entgegen, der verzückt darauf starren durfte:

Maertens und Morzé . Foto: Katharina Schiffl/Thermalbad Vöslau

Robert Koch als Al Lewis überraschte durch seine schräge Sturheit, mit der er seinen Kumpel attackierte. Die „Poch-Poch- Szene“ gestaltete er zu einem Dauerlacherfolg.

Ein bei szenischen Lesungen immer wiederkehrender Trick wurde natürlich auch wirksam eingesetzt: Man verliert den Textfaden, die Seiten rutschen unter den Tisch und kudernd suchen alle danach. Auch das waren gut eingebaute Lachhits. Vielleicht waren die Texthänger aber gar nicht so gewollt. Denn manchmal klebten die Augen der Schauspieler zu sehr an dem Papier statt am Partner und man hatte das Gefühl, einer Textprobe beizuwohnen.

Für das Vergnügen bedankte sich das Publikum mit viel Applaus und Bravorufen

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Thermalbad Bad Vöslau. Schwimmender Salon 2020: Alma Hasun und Claudius Stolzmann: Arthur Schnitzler:“Fräulein Else“ und „Leutnant Gustl“

Mit Musikbegleitung von Ian Fisher

Was für ein Hochgefühl: Endlich darf Kultur wieder stattfinden! Zwar nicht wie üblich auf der Insel, wie das Foto zeigt, sondern auf der Wiese. Die Sessel im richtigen Abstand zueinander.Angelika Hager: „Dieser Abend erfüllt mich mit zittriger Freude!“ Uns, die Zuschauer auch.

Es wurde keine Lesung im herkömmlichen Sinn. Schon die Grundidee, zwischen den beiden Novellen Schnitzlers ein Art Crossover zu knüpfen, verblüffte, machte aber eines deutlich: Die Frau (Else) wählt den Selbstmord, weil sie sich gesellschaftlich dazu gezwungen sieht, der Mann (Leutnant Gustl) kommt noch einmal davon und feiert sein neu gewonnenes Leben mit Champagner. Die Rolle der Frau sah Schnitzler noch unter dem allgemeinen Diktat der Gesellschaft, die Unterordnung unter die Gegebenheiten verlangte.

Alma Hasun war eine ideale Besetzung für Else: Nervig überdreht bringt sie diesen fein gesponnenen inneren Monolog. Unsicher, abhängig von der Meinung der Gesellschaft, der sie sich als Tochter einer armen Familie, besonders eines Vaters, der Gelder veruntreut hat, unterlegen fühlt. Zugleich aber aufmüpfig, von einem selbstbestimmten Leben träumend, aber eben nur träumend. Die schockierende Forderung Dorsdays weist sie mit Empörung zurück. „Schuft“ schimpft sie ihn, ebenso ihren Vater, der sie in diese Lage brachte. Dazwischen agiert immer wieder Stolzmann als Leutnant Gustl, räsonniert über sein trauriges Schicksal, das ihn zum Selbstmord zwingt. Ein „Ehrentod“, den er aber so gar nicht akzeptieren will. Als er erfährt, das er sich gar nicht erschießen muss, stürzt er sich ins volle Leben, das heißt Champagner und Geliebte. In dieser Szene wird die Idee, beide Figuren einander gegenüber zu stellen, stimmig: Der Mann darf ins Leben gehen, die Frau in den Selbstmord – oder Scheinselbstmord. Die Rollen zwischen Mann und Frau sind damals so festgelegt. Heute?

Schade nur, dass die spannende Szene, in der Else sich im Speisesaal allen Gästen nackt zeigt, irgendwie vergeigt wurde. Man hatte den Eindruck, dass da ein wenig der Text durcheinander geraten ist. Hasun wurstelt eine Weile unter einem Mantel an ihrem Kleid, man fürchtet – manche vielleicht hoffen, sie wird nackt dastehen. (Man sah ja schon einige Aufführungen mit dieser berühmten Nacktszene, die nie peinlich wirkt, sondern sich logisch ergibt.) Jedenfalls scheint die Textur im allgemeinen „Todesgefühl“ aufgeweicht worden zu sein.

Ian Fishers Gesang zur Gitarre gab ein Rätsel auf: Was hatte die Musik mit Schnitzler zu tun? Aber das Publikum nahm sie wohlwollend auf.

Großer Applaus für alle drei Mitwirkenden.

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Theater Scala: Casanova kocht. Ein galantes Dinner im Jahr 1791.

Buch und Regie: Bruno Max

Eine handfest-witzige, ausgeklügelt derbe, gut gewürzte Regie des Regiemeisters Bruno Max macht den Abend zum puren Vergnügen. Zum Entstehen des Abends schreibt er: „Wir haben schamlos geplündert: musikalisch von Mozart, Vivaldi, Caterina Valente, Angelo Branduardi und Nino Rota. Literarisch und szenisch: von Casanova „Mein Leben“, „Die Nächte von Paris“ von Restif de la Bretonne und Schnitzler „Casanovas Heimfahrt“ und verschiedenen Filme.“

Aus dem Parterre sind die Sessel weg geräumt. An mit Gourmetköstlichkeiten gedeckten Tischen nimmt das Publikum Platz, darf essen und trinken nach Lust und Laune -beides stellt sich sofort ein. Ein frecher Weiberchor begrüßt und begleitet das Publikum hinein in die Vita des Casanova. Im Schnellverfahren sehen wir den kleinen Jungen Giacomo, gerade noch aufmüpfiger Puppenzwerg und gleich darauf der charmante Jüngling, der in Venedig Adelige, Nonnen und Huren bezaubert und verführt. Die absolut vergnüglichen, akrobatischen (Bett)Szenen choreographierte Ivana Stojkovic, die so nebenbei in acht verschiedenen Rollen ihr schauspielerisches Talent beweist.

Bezaubernd auch die Kostüme (Sigrid Dreger), die an die Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts angepasst sind. Bewunderndswert ist die Schnelligkeit, mit der die Schauspieler Rollen und Hülle wechseln.

Casanova selbst ist ein alter, müder Mann (Hermann J. Kogler), der mit einer gewissen Altersresignation und Wehmut auf sein einst so buntes Leben zurückblickt: Einmal begehter Verführer, dann elender Gefangener, dann Spieler und Lebensgenießer. ER nimmts, wies kommt. All das erzählt er dem Schriftsteller Restif de la Bretonne (Bernie Feit), einem zufälligen Reisegefährten. Marc Mayr und Eric Lingens teilen sich die vergnüglichen Sexszenen, in die der junge Casanova gestürzt wird.

Bruno Max entwarf ein interessantes, weil ambivalentes Bild Casanovas. Er zeigt den Jungen, dem alles gelingt, selbst die Flucht aus den Bleikammern Venedigs und den Alten, der vom Gnadenbrot des Grafen Waldstein lebt und in dessen Schloss seine Memoiren schreibt.

Aufgrund der allgemeinen Schließung der Theater konnte nur die Première im Theater Scala gespielt werden. Der Schaden durch Spielausfall ist enorm. Bruno Max hofft, dass nach Ende der Krise nachgespielt werden kann. Denn es wäre schade, diese tolle Inszenierung nur für einen Abend aufgestellt zu haben. Dann aber unbedingt anschauen!!!

Zum Schluss sei hier noch die Speisenfolge angeführt, die serviert wird:

Mediterrane Vorspeise, Königinnenpastete, Muschelnudeln, Käse und Trauen und als Abschluss Venusbrüstchen mit Nussnougat und weißer Schokolade!

http://www.theaterzumfuerchten.at

Karl Valentin muss man nicht vorstellen. Robert Meyer auch nicht – beide sprach- und spielverliebte Künstler. Jedes Wort wird auf Sinn und Unsinn untersucht, auf die Goldwaage des Humors gelegt. Viele Schauspieler haben sich auf die Sätze des bayrischen Kabarettisten gesetzt, oft wurden aus den herrlichen Unsinnszweideutigkeiten eher banale Eindeutigkeiten. Nicht so bei Robert Meyer. Durch Pausen, Dehnungen, Übertreibung und andere Stilmittel findet er genau den humoristischen Dreh- und Angelpunkt des Textes, auf den es ankommt. Auf einmal weiß man, wie blühender Unsinn zu Sinn wird.

Als gebürtiger Bayer sind für Robert Meyer die Färbung des bayrischen Dialekts und der knautschige Ton Karl Valentins kein Problem.

Die Auswahl war ein „Best of Valentin“. Selbstverleugnerisch ist Robert Meyer einmal der strohdumme, eitle Feuerwehrtrompeter, dann wieder der Theaterneuling oder der Besitzer eines Aquariums. Noch lange könnte die Aufzählung der Tiere sein, wenn sie zum Maskenball aufmarschieren. Man kann von diesem herrlichen Unsinnsreimen gar nicht genug bekommen!

WEil ein Vollblutschauspieler wie Robert Meyer ganz genau weiß, dass man das Publikum nicht mit einem Kalauer nach dem anderen überschütten darf, gibt es dazwischen zünftige Blasmusik von der volksoperneigenen Kapelle.

Am 29. April wird Robert Meyer nochmals als Karl Valentin zu erleben sein.

http://www.volksoper.at

Anton Tschechow: Der Kirschgarten. Theater in der Josefstadt

Deutsche Fassung von Elisabath Plessen nach einer Übersetzung von Ulrike Zemme

Regie: Amelie Niermeyer, Bühne: Stefanie Seitz, Kostüme: Annelies Vanlaere, Songs: Jan Fisher.

Es sollte wohl der amüsante Untergang einer heutigen Gesellschaft sein. Aber das Daueramusement langweilt auf die Dauer. Das Abnormale wird normal, weil es nur das gibt. Keine Kontraste, keine Identifikationsfiguren, will heißen, alle sind irgendwie gleich – spinnig. Es fehlt ein Gegenpol. Vielleicht nur Otto Schenk als alter Diener, der auf der Suche nach der alten Ordnung durch die Menschen schlurft, sich über nichts mehr wundert, auch nicht über den nackten Tänzer, der ihm vor der Nase herumwuselt. Es wird einfach zu viel getanzt, gekotzt – das ist ja bereits state of the art in allen Theatern – zu viel kalt geduscht, zu viel Unsinn gequasselt.

Ein Unsinn, den man bereits in der 6. Reihe Parkett nicht mehr versteht. Was tun, wenn die Personen ineinander verkeilt irgendwie kaum voneinander unterscheidbar sind? Wenn jede Figur irgendetwas vor sich hin singt, brabbelt und man es aufgibt, darin jetzt einen Sinn zu entdecken. Hin und wieder blitzt dann ein Grundgedanke auf. Etwa wenn der Bauer Lopachin ( hervorragend Raphael von Bargen)davon schwärmt, den Kirschgarten abzuholzen und statt dessen Sommerhäuser zu bauen und zu vermieten. Da hört man einen der vielen Investoren reden, die in die „unberührte Natur, in die wilde Bergschönheit, an die wunderbare Küste“ ihre Superluxus-Hotels oder Apartements stellen wollen. Gegen die wehren sich jetzt endlich einmal die ersten vifen Bewohner. Aber nicht die Bewohner von diesem Landgut. Sie sind alle keine Vifzacks, auch nicht die Gutsbesitzerin Ranjewskaja (Sona Mac Donald). Gegen Ende legt Lopachin noch einmal ein Solo aufs Parkett, dass die Dielen und die Ohren krachen! Dass er das Gut wahrhaftig ersteigert hat, kann er noch nicht recht glauben. Ein irrsinniger Freudentanz und ein Saxophonsolo sollen ihm helfen, diese Ungeheuerlichkeit zu verstehen. Eine tolle Einlage von Raphael von Bargen.

Irgendwie ist man froh, als ein Riesenvollmond und eine Riesenschrift „SOLD“ das nahe Ende verkündet. Es dauert noch eine gefühlte halbe Stunde, bis alle abziehen. Dann ist die Flachwurzlerrevue vorbei. Den alten Diener haben sie vergessen, zurückgelassen. Er legt sich auf den Boden, findet die lang gesuchte alte Ordnung in der Stille. Ihm wird mit besonderem Applaus gedankt.

http://www.josefstadt.org

Joseph Lorenz: Ich, Casanova. 2. Teil

Wieder war der Andrang groß. Im „Theater im Salon“ hatte nicht einmal mehr der kleinste Sessel Platz. Wenn Lorenz liest, dann kommen alle. Und alle passen halt nicht in den Raum, der gerade einmal fünfzig Plätze hat.

Also nun: Fortsetzung des spannenden Lebens von Casanova. Einmal mehr fragt man sich, wie sich Joseph Lorenz durch alle 18 (!) Bände der von Casanova eigenhändig verfassten Biografie durchgearbeitet haben konnte.

Nach einer kurzen Zusammenfassung des ersten Teiles führt uns Joseph Lorenz/ Giacomo Casanova in das bescheiden Haus des Philosophen Jean Jacques Rousseau und lernt dort auch dessen um Jahre ältere Lebensgefährtin, von Rousseau nur „Maman“ genannt, kennen. Mehr scheint Casanova von Voltaire beeindruckt zu sein. Treffen doch da zwei Geistesgrößen aufeinander, die mit Witz, Ironie und scharfem Verstand die Gesellschaft sezieren.

Von Frankreich treibt es Casanova nach Rom, wo ihn Papst Benedikt XIV. empfängt und ihm den freien und ungehinderten Zugang zu den Büchern der vatikanischen Bibliothek erlaubt, auch zu allen, die auf dem Index standen! Als ihm Graf Waldstein 1785 eine gut bezahlte Stellung als Bibliothekar im Schloss Dux anbietet, nimmt Casanova gerne an, ist er doch des ewigen Herumreisens schon müde. Dort hätte er ein bequemes Leben führen können, wäre da nicht aus Venedig ein geheimnisvoller Brief eingelangt, der ihm Rehabilitation versprach. Casanova bricht sofort auf. Auf der Reise holt er sich eine „Galanteriekrankheit“ und muss sich erst einmal auskurieren. Diese pikante und unrühmliche Episode fehlte bisher in Casanovas Memoiren. Erst vor einigen Jahren fand man die fehlenden Seiten, die Casanova nicht zur Veröffentlichung freigeben wollte.

Nur halb genesen reist er voller Ungeduld nach Venedig, in der Hoffnung, von dem Bann, der ihn so viele Jahre von seiner Heimatstadt fernhielt, befreit zu werden. In Venedig lässt ihn der Doge jedoch fünf Stunden warten, um ihm dann ausrichten zu lassen, dass er schleunigst die Stadt zu verlassen habe, will er nicht nochmals in den Bleikammern landen. Zurück auf Schloss Dux schreibt er weiter an seinen „Memoires de ma vie“, die mit dem Jahr 1774 enden und zu Casanovas Lebezeiten nicht veröffentlicht wurden. Der Autor starb 1798 auf Schloss Dux.

Über Umwegen gelangte das Manuskript in den Besitz der Familie Brockhaus. 2010 kaufte es die „Bibliothèque nationale de France“ um 7 Millionen Euro!

Joseph Lorenz führte an diesen beiden Abenden durch das Geschichtstableau des 18. Jahrhunderts. Es war eine Zeit des Auf- und Umbruchs: Gegen den strengen Absolutismus bereiteten geniale Denker wie Voltaire die Revolution vor, während der Großteil des Adels noch ein sorloses Luxusleben führte. Casanova war der beste Zeitzeuge für dieses Jahrhundert. Dank der Ausdruckskraft, mit der Joseph Lorenz aus den Memoiren las, folgte man ihm mit intensiver Aufmerksamkeit.

Infos zum Theater im Salon: http://www.theaterimsalon.at

Kammerspiele: Engel der Dämmerung.

Regie: Torsten Fischer, Bühnenbild und Kostüme: Herbert Schäfer und Vasilis Triantaphillopoulos. Liveband: Christian Frank, Herbert Berger, Andy Mayerl, Klaus Pérez-Salado

Mut zur entblößenden Selbstdarstellung bis zur Entstellung zeigt Sona McDonald in der Rolle als Marlene Dietrich. Und: Mit unerschöpflicher Kraft sowohl gesanglich als auch darstellerisch führt sie gemeinsam mit ihrem congenialen Kollegen Martin Niedermair das Publikum durch die Höhen und Tiefen im Leben von Marlene Dietrich.

Bevor sie zur „der“ Dietrich wurde, musste sie durch Berlin und Wien (!) tingeln. Es dauerte nich lange, da fiel sie Josef von Sternberg auf. Er formte sie und machte sie zum best bezahlten Star ihrer Zeit. Nicht nur der Broadway und Hollywood lagen ihr zu Füßen, auch die Soldaten in den Schützengräben, die ihr Leben im Kampf gegen Hitler riskierten. Drei Jahre tingelte sie unter härtesten Bedingungen von Lager zu Lager, um die „Jungs“ aufzuheitern. Das war ihr Beitrag im Kampf gegen Hitler. Sie hasste nicht ihr Vaterland, sondern die Nazis und Hitler. Dem exzessiven Leben folgte die große Einsamkeit: 13 Jahre lang verließ sie ihre Wohnung nicht mehr und starb allein.

In einer dämmergrauen Bühne, die einmal Schlachtfeld, Schlafzimmer, Bühne in der Bühne ist, durchlebt und durchtanzt Sona McDonald mit grandiosem Einsatz all ihrer Fähigkeiten dieses Leben eines Stars, der Männer, Ruhm, Niederlagen, Drogen, Alkohol in vollen Zügen konsumierte, nur um über ihre Scham hinwegzukommen, eine Deutsche zu sein. Nachdenklich steht sie am Bühnenrand und raisonniert: Ob irgendjemand den Konflikt in ihr verstehen kann: Froh zu sein über das Bombardement der Alliierten und zugleich die Bomben zu verfluchen, die ihre Mutter, die in Berlin lebte, töten könnten.

Durch alle Höhen und Tiefen, ihre Triumphe, ihr Verliebtsein, ihre bodenlose Enttäuschung, wenn sie wieder einer ihrer Liebhaber verlassen hatte, begleitete sie congenial Martin Niedermair. Er war Sternberg, Coward, wurde Yul Brynner oder irgendein anderer der befristeten Liebhaber. Er war Beschützer, Begleiter, Kritiker – wenn man so will, ihr zweites Ego.

Begeisterter Beifall dankte den beiden Künstlern und der Band.

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Bernhard Schir (Amadeus) und Joseph Lorenz (Albertus)

Regie: Peter Wittenberg. Bühnenbild: Florian Parbs. Kostüme: Alexandra Pitz

Es ist zwar nicht das stärkste Stück Schnitzlers, aber doch eines, das eine Aufführung rechtfertigt. Schon allein deswegen, weil es um Ehe, Trennung, Scheidung, Freundschaft geht. Themen, die damals wie heute aktuell sind. Hätten aber nicht so prächtige Schauspieler auf der Bühne agiert, wäre das Zwischenspiel in Belanglosigkeiten abgesoffen. So aber wurde daraus ein Abend, an dem das Publikum wieder einmal „Schnitzlerton vom Feinsten“ genießen durfte.

Die Bühne ist in diffuses Halbdunkel getaucht. Sich drehende spiegelartige Panele reflektieren die Menschen, die in ihren Eitelkeiten und Überheblichkeiten nicht merken, dass sie am Leben vorbeispielen. Schnitzlers Worte „Wir spielen alle, wer es weiß, ist klug“ sind hier nicht relevant. Denn alle spielen sich was vor und halten das Spiel für das Leben. Keiner, auch nicht der ätzende Kommentator und Freund Albertus – wie immer von Joseph Lorenz in elegant-ironischer Manier gespielt – steigt aus der Rolle heraus ins Leben. Alles wird mit Worten, nutzlosen Diskussionen zerredet. Ein ziemlich aktuelles Thema: Heißt es doch heute: Lass es uns „ausdiskutieren“ – ja und dann? Ist alles beim Alten.

Bernhard Schir (Amadeus) und Maria Köstlinger als Cäcilie (Foto: Herwig Prammer)

Nur Cäcilie (Maria Köstlinger) bekommt eine Ahnung vom Leben, wie es sein könnte. Nach der von ihrem Mann Amadeus (großartig gespielt von Bernhard Schir) geforderten Trennung in Freundschaft, lässt sie sich von der Berliner Luft und der Freiheit, die diese verheißt, berauschen. Als ihr Mann sie wieder für sich allein zurückhaben will (“ sie soll mir allein gehören“) – da winkt sie ab. Zurück bleiben die ratlosen Männer: allen voran Amadeus, der einsehen muss, dass die Frau kein Objekt ist, das man weglegt und bei Bedarf wieder hervorholt. Auch sein Freund Albertus ist ratlos, weil ihm die Schablone für seine geplante Komödie abhanden gekommen ist. Für seine Frau Marie hat er nur eine Geste der Verachtung übrig – er scheucht sie aus dem Raum, wie eine lästige Fliege. Eine Frau wie Marie – rechtlos, von allen für dümmlich gehalten, an ihrer eigenen Talentlosigkeit leidend ist im Kaleidoskop Schnitzlerscher Frauenfiguren einmalig. Die meisten haben gewisse Stärken, wissen sich gegen die Männerwelt zur Wehr zu setzen. Marie hingegen ist ihrem arroganten Ehemann Albertus auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Sie bewundert ihn – und alle anderen – über alle Maßen. Diese schwierige Rolle meistert Martina Stilp mit unglaublicher Selbstaufopferung und umschifft die Gefahr der Peinlichkeit, die so eine Rolle leicht mit sich bringen könnte, bravourös.

Ein Abend, an dem alle Rollen stimmig besetzt sind. Auch Silvia Meisterle als überdrehte und kokett-verliebte Gräfin Moosheim und Roman Schmölzer als all zu ehrenwerter Fürst Sigismund. Das Publikum dankte mit für diesen „erziehungs- und politfreien“ Theaterabend mit viel Applaus.

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Dürrenmatt: Das Versprechen. Requiem auf einen Kriminalroman.

Inszenierung und Bühnenfassung: Klaus Tröger. Bühne: Klaus Gaspari. Kostüm: Anna Pollack.

Drei kleine Mädchen wurden ermordet. Man hält den Landstreicher für den Mörder, obwohl der immer wieder seine Unschuld beteuert. Als er sich in der Zelle erhängt, ist der Fall für alle gelöst und abgeschlossen. Nicht für den Kriminalkommissar Mattai. Er gab der Mutter des toten Mädchens das Versprechen, dass er den Mörder finden wird. Monate und Jahre sucht er. Bis er eines Tages ein kleines Mädchen als Köder dort einsetzt, wo er vermutet, dass der Mörder vorbeikommen wird. Mattai ist knapp dran, den Täter zu schnappen. Doch der wird, bevor er wieder zur Tat schreiten kann, von einem Lastwagen zu Tode gefahren.

Ein karges Bühnenbild aus schwarzen, verstellbaren Panelen unterstreicht die düstere Stimmung, die im Dorf herrscht. Gerade fand man wieder die Leiche eines kleinen Mädchens. Mattai interessiert sich nur sehr peripher für den Fall. ER ist schon mehr in Jordanien, wo er einen neuen Job antritt. Doch dann wird er durch den Schmerz der Mutter, der er die Nachricht vom Tod ihrer Tochter bringen muss, und durch den Selbstmord des zu Unrecht verdächtigten Landstreichers gleichsam aus seiner professionellen Routine herausgeholt und aus der Starre aufgeweckt. Er hält es für seine Pflicht, den Mörder zu finden, auch wenn er dabei das Leben eines anderen kleinen Mädchens riskiert. Aus dem Profi wird ein persönlich Engagierter, ein Betrooffener. Diesen Wandel darzustellen gelingt Klaus Rohrmoser nur teilweise.. Er spielt ihn äußerlich, rast unruhig auf der Bühne umher. Die seelischen Brüche und Umbrüche müssten leiser, dafür um so intensiver gespielt werden. Überhaupt wird zu viel und zu hektisch umhergerannt, was besonders dem tragischen Schluss abträglich ist: Da hat ein Mensch geglaubt, für die Gerechtigkeit gekämpft zu haben, und muss nun erkennen, dass er das Gesetz verletzt hat, weil er das Mädchen als Köder einsetzen wollte und dabei fast ihr Leben riskiert hätte. Dürrenmatt stellt die Frage, wo die Grenze zwischen Recht und Unrecht verläuft. Sie bleibt in dieser Inszenierung ungestellt und daher unbeantwortet.

Der Regisseur Claus Tröger führt das Ensemble im Stile Brechts: Frei von Gefühlsanhaberei. Ereignisse werden ohne Bühnenblut und ohne diesen widerlichen Flirt mit der offen und ungeschminkt dargestellten Gewalt auf der Bühne dargestellt. Damit hebt sich die Inszenierung positiv von derzeitigen Bühnenmoden ab, wie man sie zum Beispiel an der Burg erlebt. Das Ensemble spielt insgesamt engagiert. Für alle, die weder den Film noch den Roman kennen, sicher ein spannender Abend.

Weitere Termine:

14.02. – 29.02. jeweils Di – Sa um 19.45h

Details unter: http://www.theaterzumfuerchten.at/TheaterScala

Jubiläumskonzert, Musikverein 28. Jänner 2020: „Feuerreiter“. Gesänge und Geschichten von Feuer, Mord und Liebe.

Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde Wien, Dirigent: Johannes Prinz Am Klavier zu vier Händen :Eduard und Johannes Kutrowatz. Sprecher: Joseph Lorenz

  1. Teil: „Liebes- und Beziehungsgeschichten“

Rotes Licht überstrahlt die Orgelempore, die Bühne liegt in geheimnisvoller Dunkelheit. Plötzlich überhell, fast weiß angestrahlt: Der Sprecher Joseph Lorenz. Er „befeuert“ mit Glut das Publikum, lässt den „Feuerreiter“ von Eduard Mörike durch den Saal rasen. Die Flammen zucken über die Köpfe der Sänger und des Publikums hinweg. Was für ein ungewöhnlicher Beginn! Man glaubte sich im Theater oder in der Oper, aber wahrlich nicht im ehrwürdigen goldenen Musikvereinssaal. Und glutvoll ging es weiter. Die Stimmen des Singvereines sangen verführerisch über die Gefahren und Fallstricke in der Liebe (u. a.Johannes Brahms und Robert Schuhmann). Dazwischen warf das Fräulein Kunigunde den Handschuh in die Arena, mitten unter die blutrünstigen Bestien, und forderte den Jüngling arrogant auf, ihn ihr wiederzubringen. Er tat es und statt auf den Liebesdank zu warten, wirft er ihr den Handschuh ins Gesicht. Aber wie! Wenn Joseph Lorenz die bekannte Ballade Schillers liest, dann lebt das Publikum mit, schmunzelt über die dumme Pute Kunigunde und vergönnt ihr die Zurückweisung vor versammeltem Hof.

Joseph Lorenz lässt Schillers Ballade „Die Bürgschaft“ lebendig werden, macht aus dem Tyrannen einen ziemlich dumm-herrischen Tropf. Aus Damon einen Leidenschaftlichen, der gegen Angst und Naturgewalten kämpft, um rechtzeitig zurückzukehren und den Freund vor dem Tod zu retten. Wir wissen alle, wie es ausgeht: Von dieser Liebe und Treue zwischen den Freunden gerührt, bittet der Tyrann um die Freundschaft derer, die er gerade noch am Galgen hat wollen hängen sehen. Im Gegensatz zu Schiller, der den Tyrannen voller Reue und zerknirscht sein lässt, schaut Lorenz tiefer in diese schwarze Politikerseele: Die Reue ist Schein, einmal Tyrann- immer Tyrann, auch wenn er sich „gerührt“ gibt. Denn was lehrt die Gegenwart: Die Worte eines Mächtigen gelten nur so lange es ihm passt.

Nach der Pause wurde in theatralisch wirksamer Inszenierung „Tödliches“ in guter Mischung aus Dramatik und Nonsense vorgebracht. Joseph Lorenz entzündete in fast totaler Dunkelheit eine Kerze und gab der „Flamme“ von Christian Morgenstern seine leise-gefährliche Stimme: gieirig züngelt sie über alles, was in ihre Nähe kommt und tötet Mensch, Vorhang, Zimmer, Haus, Häuser, Wälder, ringsum alles Leben. Dann, dann ist alles tot, verbrannt…Man erschaudert, Bilder von den riesigen Bränden in Australien steigen auf. Die Stimme des Sprechers reißt alles nieder. Pathos pur, aber ein Feuerpathos, das so sein muss. Gleich darauf: Stilles Pathos, Leid, Rachegedanken, die niedergerungen werden: Conrad Ferdinand Meyers Ballade „Die Füße im Feuer“. Dazwischen heiter, geschliffen vorgebrachter Nonsens in Christian Morgensterns „Werwolf“. Und am Ende Goethes „Erlkönig“ – Lorenz ist ängstlicher Knabe, todbringender Verführer mit homoerotischer Anmutung, ein Vater, der sein Kind nicht schützen kann. In Joseph Lorenz hat die Tragik, die hintergründige Heiterkeit eine adäquaten Interpreten gefunden, der sich vor großen Gesten und bewusst gesetztem Pathos nicht scheut.

Joseph Lorenz (Foto:Conactor-Schauspielagentur)

Auch das musikalische Menü folgte dem Prinzip der Abwechslung zwischen drohender Gefährdung, Gewalt, Heiterkeit und Spott. Großarig Ligetis „Pápáine“ für gemischten Chor a cappella. Ein musikalischer Höhepunkt waren sicherlich Brahms „Ungarische Tänze“, von Johannes und Eduard Kutrowatz auf dem Klavier zu vier Händen mit Rasanz und bewundernswerter Übereinstimmung gespielt. Ebenso der Nonsenssong „km 21“ von Franz Tischhauser, bravourös gesungen von dem Tenor Wolfgang Adler.

Was den Abend so einmalig machte, war diese unprätentiöse und intelligente Mischung aus Musik und Vortrag. Eine Auswahl, die ohne jegliche „erzieherische Tendenz“ auskam, allein zur Erbauung – welch selten gewordenenes, schon gehörig in Misskredit gekommenes Wort-.

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Felix Mitterer: Mein Ungeheuer. Theater Akzent

Eine Produktion von STEUDLTENN Tirol Zillertal

Regie: Hakon Hirzenberger

Das Ehedrama aus dem Bauernmilieu schrieb Felix Mitterer in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Doch seine Aktualität ist brennender denn je. Es geht um die Frage: Wie gehen Menschen miteinander um, wenn Arbeitslosigkeit und tiefste Armut, dazu Bildungslosigkeit und daher Chancenlosikeit den Alltag bestimmen. Er, Hans Zach (Martin Leutgeb), säuft seine tiefgründige Lebenstraurigkeit, seine unerfüllte Sehnsucht nach Nähe einfach in Grund und Boden. Zach ist allerdings schon 15 Jahre tot, doch er drangsaliert noch immer seine Ehefrau Rosa (Susanne Altschul) als Geist.

Schauplatz ist irgendein Dorf in Tirol in der Nähe von Schwaz. Wie gesagt, Zach ist tot, aber „zach“ sekkiert und drangsaliert er seine Frau Rosa. Die hat ihn 15 Jahre lang angeschwiegen. Weil er ihr nicht glauben will, dass Felix sein leiblicher Sohn ist. Für ihr Schweigen rächt er sich nun als „Quälgeist“ mit Dauerpräsenz.

Felix Mitterer verquickt dramaturgisch geschickt die verschiedenen Zeit- und Realitätsebenen. Ohne Bruch switscht er zwischen einst, dem lebenden Zach, und dem Geist hin und her. Im „Schlagabtausch“ zwischen der schweigsamen Rosa und dem brüllenden Hans geht es hoch her: In dem kargen Bühnenbild (Gerhard Kainzner) – ein Sofa, ein Holzsarg – wütet, schreit, schimpft, springt Martin Leutgeb mit beeindruckender Rasanz und Bühnenpräsenz herum. Währenddessen sitzt Rosa auf dem Sofa und schweigt. Wie zum Schutz gegen ihren besoffenen Ehemann hält sie eine Puppe im Arm. Was Martin Leutgeb hier an Wortwucht und Körpereinsatz einbringt, das gelingt Susanne Altschul ebenso intensiv durch Schweigen. Keine leichte Rolle, die sie bravourös meistert. Felix Mitterer hat ihr zum Ausgleich mehrere sehr berührende Szenen zugeschrieben, z.B Wenn sie von der innigen Zärtlichkeit zwischen ihr und dem taubstummen Almhirten erzählt. Oder mit welch starkem Stolz sie an ihrem armseligen Haus hängt, das sie mit eigenen Händen gebaut und selbst finanziert hat. Susanne Altschul meistert diese Rolle mit schlichter Innigkeit, ohne je auch nur in die Nähe des Kitsches, der Rührseligkeit abzurutschen.

Es scheint, zwischen den beiden herrscht nur Hass – bis in alle Ewigkeit. Doch als Hans seiner Frau erstmals erzählt, wie er als neunjähriger Bub seine tote Mutter in der Nacht aus dem Grab geholt und vom Friedhof weggetragen hat, weil er nicht glauben wollte, dass sie tot war, da bricht zwischen beiden die Mauer des Hasses. Rosa bettet den weinenden Ehemann in ihren Schoß und tröstet ihn. Um keine Rührung aufkommen zu lassen, schließt Felix Mitterer mit einem leichten Augenzwinkern und Schmunzeln: der Geist Zach verschwindet endgültig in die Ewigkeit. Rosa ruft ihm tröstend nach: „Ich komm bald nach.“ Er- leicht verschmitzt und ein wenig ruppig: „Lass dir Zeit. Du versamst dort nix.“

Matthias Jakisic unterlegt die Szenen, die von der ungestillten Sehnsucht nach Geborgenheit, Zärtlichkeit und Träumen von einem besseren Leben erzählen, mit zarter Musik, die hin und wieder an alte Kinderlieder erinnert.

Dank des großartigen Textes von Felix Mitterer, der einfühlsamen Regie und Musik und vor allem dank der beiden intensiven Schauspieler wurde es ein Abend, der es wert ist, in die Chonik des Theaters „Akzent“ einzugehen-

Lang anhaltender Applaus für die Schauspieler. Auch für den Regisseur und den Autor, die persönlich auf die Bühne kamen. Im Publikum waren auch einige Schauspielerkollegen zu sehen – unter anderem Stefano Bernardin und Peter Simonischek.

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Tolstoi: Die Kzeuzersonate. Gelesen von Joseph Lorenz.Theater Akzent

Atemlos saßen wir alle und hörten und erlebten intensiv, wie ein Mensch zum Mörder wird. Am Ende des Abend wussten wir: Wir hatten gerade an einem Theaterereignis teilhaben dürfen, wie es nur ganz selten eintritt!

In einer theatralisch perfekt angelegten Klimax ließ Joseph Lorenz die Erzählung ablaufen: Im Zugateil wird Belangloses geredet, bis eine Dame von Liebe säuselt und ein anderer, bisher stummer Mitreisender. sich spöttisch über dieses oberflächliche Gerede äußert. In der Einsamkeit der nächtlichen Zugfahrt erzählt dieser dann dem jüngeren Mitreisenden, der als einziger von der Gesellschaft die Reise mit ihm fortsetzt, seine Geschichte. Wie und warum er zum Mörder seiner Frau wurde. Langsam lässt Joseph Lorenz die Spannung ansteigen. Lässt vor uns einen jungen Schnösel entstehen, der sich die Frauen nach seinen sexuellen Gelüsten aussucht und nicht weiter nachdenkt, was in ihnen vorgeht. „Laster nach Maß“, nennt er es. Zynisch, arrogant, in totaler Selbstüberschützung lässt er diesen Frauenverächter in die Ehe gehen. Schon bald langweilt sich das Paar, findet keinen Gesprächsstoff mehr. Aus gegenseitiger Verachtung wird Hass. Den transportiert Joseph Lorenz in das Auditorium. Fast bekommt man die Gänsehaut, wenn er diese abgrundtiefe Abneigung spielt, mit allem: Gesten, Mimik, mit der Modulation seiner Stimme. Dass er an einer Stimmbandentzündung leidet und sich deswegen ansagen ließ, hat er wohl vergessen, so intensiv ist er in der Rolle drinnen. Wir erleben die Qualen und den Hass, den er seiner Frau bei den alltäglichen Kleinigkeiten (Tee trinken, die Haare aus der Stirn streichen..) entgegenbringt. (Wie die Frau diese Ehe erlebt, lässt Tolstoi unerwähnt) Am Höhepunkt seines irrsinnigen Hasses glaubt er, auf einen Geiger, den er bewusst als möglichen Gegenspieler in seine Haus einlädt, eifersüchtig sein zu müssen. Qualen erlebt er, wenn seine Frau und der vermeintliche Liebhaber die Kreuzersonate spielen. Die Musik holt Gefühle aus ihm hervor, die er nicht wahrhaben will. In wahnvollem Hass und in unerträglicher Wut ersticht er seine Frau und glaubt sich im Moment der Tat im vollen Recht. Im Auditorium ist es totenstill geworden, als wäre man tatsächlich Zeuge eines Mordes geworden. Erschöpft bricht der Mörder zusammen – und man bangt um ihn, den Erzähler, den Mann da vorne auf der Bühne. Ob er aus diesen Gefühlsausbrüchen in die Realität zurückfindet? Sich als Schauspieler, als Joseph Lorenz wieder findet, aus der Rolle heraussteigt? Bange Momente vergehen, dann wird der Erzähler ruhig, zieht eine Decke über den Kopf und schläft ein. Dankbar dafür, dass ihm sein Gegenüber die ganze Nacht zugehört hat. Dankbar für die zarte Geste, mit der der Mitreisende ihm über die Schulter streicht und sich verabschiedet.

Tolstois Novelle „Die Kreuzersonate“ ist eine subtile und irritierende Seelenanylyse, eine gnadenlose Abrechnung eines Mannes mit sich selbst, eines Mannes, der das Gefühl der Liebe nicht kennt, aus gesellschaftlicher Konvention heraus, weil man halt mit 30 heiratet, ein Frau ehelicht, die „seinen Ansprüchen gerecht wird“. Frauen sind für ihn und den Großteil der Männer Objekte, nur dazu da, die sexuelle Lust zu stillen. „Liebe“ ist ein leerer Begriff, von Romantikern geschaffen. Der Gedanke der Emanzipation ist in den Köpfen dieser Generation noch nicht geboren. So schildert Tolstoi die russische Gesellschaft um 1890. Letztendlich aber ist die Novelle eine Abrechnung mit der Selbstherrlichkeit des Mannes, der sich das Recht herausnimmt, über die Frau als Objekt zu verfügen.Dass Tolstoi den ERzähler schlussendlich vor seiner eigenen Tat erschaudern lässt, zeigt aber nur, dass er mit der Moral dieser Zeit ins Gericht geht. Über die Frau verliert er kein Wort. Sie bleibt, was sie zu Beginn der Erzählung war: Ein schönes Objekt, das es besser zu meiden gilt, will Mann nicht in den Abgrund unkontrollierter Gefühle gezogen werden.

Als Joseph Lorenz die Erzählung beendet und das Buch zuschlägt, kehren alle im Zuschauerraum langsam aus dem Albtraum eines Mordes in die nüchterne Wirklichkeit des Theaterraumes zürück. Langer Applaus dankt ihm für diesen intensiven Abend.

Am 28. Mai 2020 wird Joseph Lorenz „Amok“ von Stefan Zweig im Akzent lesen.

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Edward Albee: Wer hat Angst vor Virginia Wolf? Burgtheater

Aus dem Englischen von Pinkas Braun, Regie Martin Kusej, Bühne und Kostüme Jessica Rockstroh. Eine Übernahme aus dem Residenztheater München.

Am Ende dieser Bühnenschlacht ist so mancher Zuschauer wahrscheinlich froh, als Single durchs Leben zu gehen..

Martha (Bibiana Beglau) und George (Norman Hacker) ertränken ihren Lebens- und Eheüberdruss in Whisky. Suchen den anderen mit Verbalgemeinheiten zu verletzen. Als das alles nicht genug an Reiz ist, lädt Martha das Ehepaar Nick (Johannes Zirner) und Honey (Elma Stefania Agustsdottir sprang für Nora Buzalka ein und machte ihre Sache ausgesprochen gut) ein. Das Spiel kann beginnen (1. Akt groß überschrieben: Fun and Games). Nun gilt es jeder gegen jeden – nur die hilflos liebenswürdige Honey tut da nicht mit, wird aber dennoch hineingezogen. Es geht darum, den anderen zu demütigen, zu vernichten. Um ihn zur Weißglut zu reizen, fickt Martha ganz ungeniert vor Georges Augen mit Nick. Bibiana Beglau geht ja der Ruf voraus, dass sie ohne Wenn und Aber an die Grenzen der Darstellungsmöglichkeiten geht. So auch in diesen Sexszenen. Aus Rache demontiert George das Lügengebäude, das sich beide aufgebaut haben: Er schreit ihr ins Gesicht, dass es keinen Sohn gibt, dass sie beide ihn nur erfunden haben. Diese Art von Lebenslüge nimmt man den beiden nicht ab, dazu wirken sie zu intelligent. Da gab es bessere Autoren, die dieses Thema zentral behandelten, z.B. Tennessee Williams.

Inzwischen sind auch Nick und Honey am Ende ihrer körperlichen und geistigen Kräfte und verlassen die Szene. Übrig bleibt ein Ehepaar, das sich die Masken vom Gesicht gerissen hat, dahinter ist nichts außer Leere, die mit Whisky gefüllt wird. Als Edward Albee in den späten 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts dieses Stück schrieb, waren Alkohol und Drogen das große Porblem. Heute sind es eher die Medikamentensucht und ganz andere Drogen -härtere als damals und weit lebensgefährlichere. Zu diesem Thema schrieben T.C. Boyle den Roman „Das Licht“ und Salman Rushdie „Quijotte“.

Alles spielt sich vor einer grellweißen Wand ab. Im Laufe des Abends verstärkt sich immer mehr der Eindruck, einer hochexplosiven psychiatrischen Sitzung in einer Klinik beizuwohnen. Wie sie in den 70er Jahren praktiziert wurden: Man schrie sich an, heulte, biss, kratzte, schlug zu. Trieb das Spiel wie einen exorzistischen Akt. Danach sollte – so dachte man – eine Art Läuterung, Katharsis eintreten. Die blieb allerdings an diesem Abend auf der Bühne und im Publikum aus. Man war froh, als die Hassaktionen zu Ende waren. Da die Akteure immer auf höchster Reizstufe agieren mussten, trat besonders im 2. Akt (Walpurgisnacht betitelt) eine gewisse Ermüdung ein. Andauernde Klimax ist weder im Leben noch auf der Bühne bekömmlich..

Der Applaus war freundlich, aber endenwollend. http://www.burgtheater.at

Johann Nestroy: Einen Jux will er sich machen. Theater in der Josefstadt.

Endlich! Endlich! Ein Nestroy, der klug und doch nicht übergscheit inszeniert ist. Will sagen, dass der Regisseur Stephan Müller, dem das Theater in der Josefstadt zuletzt die spannende Inszenierung vom „Besuch der alten Dame“ verdankt, auch diesmal mit seiner unverkennbaren Handschrift das Stück geprägt hat:

Gemeinsam mit der Bühnenbildnerin Sophie Lux und den Kostümen von Birgit Hutter schuf er ein für Nestroy untypisches Ambiente: Zunächst rennen die Figuren gegen ihre eigene Wand, nur hin und wieder tut sich ein Fensterchen auf. Bis sie dann in die „weite WElt“ der Stadt kommen, wo sich das Abenteuer auftut und die Welt plötzlich offen und die Kostüme der Damen hell und bunt werden. Vor allem aber erarbeitet Stephan Müller gemeinsam mit der Choreographin Daniela Mühlbauer ein Bewegungskonzept, das den Witz und die Ironie, die den Nestroyschen Figuren innewohnt, betont: Die Frauen bewegen sich wie Puppen, gelenkt von starren Benimmregeln. Die Männer locker, allzu sicher ihrer selbst, sich an Beweglichkeit überbietend, wenn es darum geht, Geld zu scheffeln, andere übers Ohr zu hauen.

Was das Ensemble vor allem kann: sprechen! Das ist am Theater von heute nicht mehr selbstverständlich. Schon gar nicht, Nestroy sprechen! Denn die philosophischen Sprudelein eines Weinberl muss man erst einmal sprachlich bewältigen. Und Johannes Krisch – neu an der Josefstadt – ist nicht nur ein wortgewandter, sondern auch ein „körpergewandter“ Nestroy-Weinberl. Wie er jedes Wort mit Gesten, Sprüngen oder Körperdrehungen zu untersteichen weiß, das muss ihm einemal erst einer nachmachen! Dass die der aktuellen Politik angepassten Couplets, die ihm von Thomas Artz verordnet werden, nicht gerade geistsprühend sind, dafür kann er nichts!

Sein Gegenspieler ist Zangler, ein Krämer, wie er im Nestroy-Büchl steht: Mit Robert Joseph Bartl eine Idealbesetzung: Groß, schwer, mit zusätzlichen Fettpölstern ausgestattet, überragt er alle. Die Rolle des dummen Onkels, der von seinem Mündel an der Nase herumgeführt wird, ist ihm auf den Leib geschrieben. Als optisches Gegengewicht zu dem dürren Weinberl – perfekt.

Damen dürfen auch mitspielen – und wie! Das Duo Madame Knorr (köstlich Martina Stilp) und ihre Freundin Frau von Fischer (ebenso hinterlistig und frivol wie Madame Knorr: Alexandra Krismer) sind unschlagbar in ihren grellbunten Kleidern. Bei Erregung und Bedarf kann der Reifrock hochgezogen werden und den Blick auf näckische Rüschenunterwäsche freigeben. Selbst die Nebenrollen sind brillant besetzt, etwa Elfriede Schüsseleder als Frau Gertrud oder dieselbe als Fräulein von Blumenblatt.

Fazit: Ein Theaterabend, den man genießen kann. Ein Labsal nach einigen eher qualvoll erlebten Inszenierungen, die der neue Burgdirektor uns beschert.

Ein Tipp: Über die Aktualität des Stückes liest man Erhellendes im Programm! Hier ist Klartext geschrieben.

http://www.josefstadt.org